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Eine neue Schule für alle
 
Laborschule Bielefeld

 

 

 

 

Wie Ronja und Harry in die Schule kommen
Wie sie den Tag verbringen und was sie dabei lernen
Was es bedeutet, ein „Nuller“ und später ein „Großer“ zu sein
Was sie in dieser Zeit sonst noch erleben
Was sie von dieser Stufe mitnehmen

Stufe für Stufe – I

Zwei Kinder auf dem Weg durch die Schule

Nach diesem Vorspann über das Lernen wird es nun ganz konkret. Wir begleiten zwei gedachte Kinder auf dem Weg durch die Schule. Nennen wir sie nach zwei Figuren aus der Kinderliteratur, die Ihrem Kind hier bestimmt begegnen werden: Ronja und Harry.

Die beiden kommen also als Fünfjährige in die Schule. Ganz unbekannt ist sie ihnen nicht mehr. Zusammen mit ihren Eltern konnten sie vorher schon die neue Umgebung, ihre Lehrerin und die Kinder ihrer Gruppe kennen lernen. Es gibt nur 16 Kinder in der Gruppe, also weniger als an Regelschulen. Und auch das ist anders: Hier leben und lernen Kinder aus drei Jahrgängen (0, 1 und 2) in einer Gruppe zusammen. Die Älteren geben sich viel Mühe, den neuen „Nullern“ den Schulbeginn leicht und schön zu machen. Trotzdem ist der Tag der Einschulung ein wichtiger Einschnitt in ihrem Leben. Sie betreten eine neue Stufe. In der Schule ist es die Stufe I.

Tagesplan Stufe I Bei diesem Fest stehen die neuen Laborschulkinder im Mittelpunkt. Die Schule will ihnen den ersten Tag zu einem besonderen Erlebnis machen, ihnen zeigen, wie sich alle auf sie gefreut haben und wie wichtig es ist, dass sie nun da sind.

Die größeren Kinder zeigen ihnen, was man an dieser Schule alles tun und lernen kann: lesen, schreiben, rechnen, aber auch: kochen, backen, jonglieren, Fahrrad fahren, mit anderen Kindern spielen, im Garten arbeiten, malen, ein Instrument spielen, in den Wald gehen  und vieles mehr. Die Schule will, dass ihre Kinder vom ersten Tag an erfahren: Hier steht alles auf dem Programm, was das Leben schön, spannend und interessant macht.

In den ersten Tagen haben es Ronja und Harry schwer, sich in dem vielen Neuen zurechtzufinden. Ihre Paten helfen ihnen dabei: ältere Kinder, die sich auskennen. Natürlich sind auch die Erwachsenen für sie da. So lernen sie bald, wo man was findet, was man wo tun kann. Sie lernen auch, dass es Ordnungen und Regeln gibt. Auch der Tag hat eine feste Ordnung, in die sie nun hineinwachsen. Für jeden Tag hat die Lehrerin einen Tagesplan vorbereitet.

Der Schulalltag und der Unterricht

Alltag, Versammlung

Er beginnt mit dem Schulweg. Die neuen Kinder müssen lernen, wie sie in die Schule kommen. Die meisten von ihnen fahren mit dem Schulbus. Wann und wo fährt er ab? Wer fährt mit? Wo steige ich aus?

Die Kinder haben unterschiedlich weite Wege. Darum dürfen sie auch zu unterschiedlichen Zeiten in die Schule kommen: zwischen 8 Uhr und 8.30 Uhr. Beim Ankommen werden sie von ihrer Lehrerin begrüßt. Die Gruppe ist meist noch nicht vollständig versammelt, weil die Kinder zu unterschiedlichen Zeiten ankommen. So bleibt Zeit, in Ruhe in den Tag hineinzukommen: sich in das Gruppenbuch einzutragen, sich eine Beschäftigung auszusuchen, mit anderen zu reden, wichtige Dinge mit der Lehrerin zu besprechen.

Wenn alle da sind, treffen sich die Kinder zur Versammlung. Da gibt es eine Erzählrunde, oft wird auch vorgelesen, es gibt manches zu besprechen, und die Lehrerin verabredet mit den Kindern, wer wann was tut. Für die neuen Kinder, aber auch für manche andere, ist es nicht immer leicht, so lange still zu sitzen, anderen zuzuhören, nicht einfach loszureden, sondern zu warten, bis man dran ist. Manche trauen sich noch nicht, vor den anderen frei zu sprechen, und brauchen viel Ermutigung. Andere würden am liebsten immerzu reden und müssen lernen, sich zurückzunehmen. Alle müssen lernen, sich den Tag und ihre Arbeit einzuteilen.

Nach der Versammlung beginnt die Arbeitszeit. Alle Kinder rechnen oder schreiben oder lesen. Ronja und Harry sind stolz darauf, dass sie schon ihre Namen schreiben können. Nun wollen sie mehr lernen. Die Größeren sind ihnen ein Ansporn. Die „Nuller“ dürfen auch malen oder spielen, aber viele von ihnen wollen lieber rechnen und schreiben. Die Lehrerin beobachtet, was die neuen Kinder schon können und gibt ihnen Hilfen zum Weiterlernen. Das gilt auch für die Größeren. Sie sind unterschiedlich weit und arbeiten an unterschiedlichen Materialien.

Nach der Arbeitszeit frühstücken die Kinder zusammen mit ihrer Lehrerin. Es gibt einen gesunden Imbiss mit viel Obst.

An manchen Tagen in der Woche folgt auf das Frühstück eine große Versammlung. Das bedeutet, dass alle (drei oder vier) Gruppen, die sich im Großraum eine Fläche teilen, zusammenkommen. Es werden Lieder gesungen, Spiele gespielt, Geburtstage gefeiert, Ansagen gemacht.

Dann folgt die Gruppenzeit, die bis 12.30 Uhr dauert. Oft steht dabei ein gemeinsames Thema oder Vorhaben im Vordergrund. Die Kinder gehen beispielsweise in die Bibliothek oder bereiten sich auf ein Fest vor oder arbeiten an natur- oder sachkundlichen Aufgaben und/oder Projekten.

Um 12.30 Uhr ist der Vormittag zu Ende. Für einige Kinder ist jetzt „Buszeit“. Die meisten aber bleiben länger, bis 15 Uhr. Sie gehen zunächst gemeinsam zum Mittagessen in der Mensa.

Danach beginnt der Nachmittag, betreut von Erzieherinnen. In dieser Zeit dürfen die Kinder vor allem Kinder sein - sie dürfen draußen oder drinnen spielen oder beispielsweise in den Wald gehen oder in den Garten oder etwas in der Küche zubereiten oder an einem besonderen Projekt arbeiten, zum Beispiel einer Theatervorführung.

Für eine Gruppe von Kindern hat die Schule etwas ganz Besonderes organisiert: das Wald- und Wiesenangebot. Tag für Tag ziehen die Kinder, passend gekleidet und ausgerüstet, mit ihrem Betreuer in den Wald. Ein wenig kann Ronja also aufwachsen wie ihre berühmte Namensschwester und genießt es, ebenso wie alle anderen, ein „Naturkind“ zu sein.

Besondere Erlebnisse und Erfahrungen

In den drei Jahren der Stufe I lernen die Kinder auf vielfältige Weise, „die Welt“ zu erkunden. Es gehört zum Programm der Schule, dass sie dies auf möglichst natürliche, altersgerechte Art tun (vgl. auch Kapitel 1).

Ronja und Harry werden in dieser Zeit zu eifrigen Benutzern der Bibliothek. Die Gruppe geht regelmäßig dorthin, die Kinder dürfen sich nach eigenen Wünschen Bücher angucken und ausleihen. Viele von ihnen werden schon in diesem frühen Alter zu „Leseratten“. Alle werden mit Kinder- und Sachbüchern vertraut. Vorlesen gehört zum Alltag, und auf den Flächen stehen viele Bücher „zum Greifen nah“.

Alle Kinder sind gern und viel draußen. Es gibt ein großes Spielgelände, und oft gehen Gruppen auch in den Wald oder in den Garten, im Winter nehmen sie Schlitten mit und üben im Sommer Fahrrad- oder Rollschuhfahren. Harry ist ein leidenschaftlicher Fußballer, Ronja eine „Wasserratte“. Im nahe gelegenen Uni-Schwimmbad hat die Gruppe ihre festen Zeiten. Am Ende der Eingangsstufe können die Kinder in der Regel schwimmen, viele haben ihr „Seepferdchen“. Auch die Sporthallen und der Gymnastikraum werden regelmäßig genutzt.

Viele Gruppen haben ein eigenes kleines Gärtchen vor dem Haus. Andere nutzen die Beete im großen Schulgarten. Dort können die Kinder beobachten, wie Pflanzen wachsen und was sie dazu brauchen. Viele von ihnen sind begeisterte „Naturforscher“. Aus dem Wald bringen sie Steine oder Pilze oder andere interessante Fundstücke mit, um sie in der Schule genauer zu bestimmen. Sie kennen sich mit Bäumen und Blättern aus, mit den Jahreszeiten und natürlich auch mit heimischen und fremden Tieren. Sie beobachten das Wetter und die Temperatur, lernen, wie ein Thermometer oder eine Waage funktioniert, wie man abliest, was sie anzeigen, und vieles mehr. Im Alltag gibt es viele Gelegenheiten, mit Haushalts- und anderen Geräten und Apparaten umzugehen.

Im Sommer wartet ein besonderes Erlebnis auf Harry und Ronja: Sie gehen mit ihrer Gruppe und mit ihrer Lehrerin auf Reisen. Sie fahren für einige Tage an einen Ort der näheren Umgebung. Für viele Kinder ist es das erste Mal, dass sie nicht zu Hause schlafen. Das ist aufregend genug. Aber natürlich sind es auch die gemeinsame Fahrt, die Unternehmungen, Spiele und gemeinsamen Mahlzeiten.

Das Schuljahr bietet viele Anlässe für besondere Tätigkeiten und Vorhaben. Vor der Einschulungsfeier muss alles für die neuen Kinder vorbereitet werden, zum Beispiel die Schultüten, die die Älteren kunstvoll verzieren. In der Adventszeit verwandeln sich die Flächen oft zu Weihnachtswerkstätten. Die Kinder basteln, kleben, schmücken. Viele von ihnen arbeiten auch an Gegenständen, die auf dem Adventsbasar verkauft werden, sie malen zum Beispiel Weihnachtskarten, für die Erwachsene viel Geld bezahlen. Auf diese Weise unterstützen sie die Partnerschule in Nicaragua. Jährlich gibt es eine „Nica-Matinee“; da wird viel verkauft, und schon die Haus-1-Kinder erleben, wie eine Partnerschaft „lebendig“ werden kann, auch wenn die beiden Schulen viele tausend Kilometer voneinander entfernt sind: durch Musik und Tanz, durch Spiele, Vorführungen und Erzählungen, durch Briefe und Berichte von Reisenden, durch alles, was die Menschen füreinander tun können.

Leben und Lernen in der altersgemischten Gruppe

Einmal in der Woche kommt Mrs. Bumblebee zu Besuch. Sie spricht nur Englisch. Die Kinder möchten sich gern mit ihr unterhalten und lernen darum jede Woche neue Wörter und Sätze.

Auch im „ganz normalen“ Unterricht gibt es viele besondere Erlebnisse und Ereignisse. Manchmal werden daraus große Projekte, die viele Wochen dauern. So kann eine Fläche beispielsweise zur Mittelalter-Werkstatt werden, wo Kinder in unterschiedlichen Gruppen erkunden und erleben, wie die Menschen damals aßen und sich kleideten, arbeiteten, wohnten und lebten. Oder die Kinder werden zu „Künstlern“, studieren Bilder eines Malers und erproben in eigenen Versuchen seine Farben, Ideen und Muster. Oder sie bereiten eine Theateraufführung vor. Oder sie stellen ein eigenes Buch her, aus selbst geschriebenen Geschichten, die sie in der eigenen Haus-1-Druckerei gesetzt und auf farbiges Papier gedruckt haben.

Schule als Lebens- und Erfahrungsraum“, das sollen diese Beispiele zeigen, ist nicht nur ein Wort. An der Laborschule ist es vielmehr das wichtigste Lernprogramm.

Warum sind in einer Lerngruppe drei Jahrgänge, also Kinder von 5 bis 8 Jahren, zusammen?

Ein Grund wurde schon genannt: Die Kleinsten kommen in eine schon bestehende Gemeinschaft. Sie müssen nicht alle zugleich bei Null anfangen. Es ist schon alles da, es gibt ältere Kinder, die sich auskennen. Da fällt es leicht, sich einzufügen.

In der altersgemischten Gruppe lernt man also sehr viel „von selbst“. Das gilt nicht nur für die Ordnungen und Regeln des täglichen Lebens, sondern auch für den Umgang mit anderen Kindern. Alle beginnen als „Nuller“, erfahren, wie es ist, wenn man zu den Kleinsten gehört und auf die Hilfe der Größeren angewiesen ist. Dann erlebt man sich „in der Mitte“ und schließlich als „groß“; man wächst zunehmend in die Verantwortung der Gruppe und vor allem den Jüngeren gegenüber hinein.

Aber auch das „richtige“ Lernen, zum Beispiel das Rechnen, Schreiben und Lesen, gedeiht in der altersgemischten Gruppe sehr gut. Alle Kinder arbeiten an eigenen Aufgaben. Sie lernen also von Klein auf, dass sie sich ihre Zeit einteilen und verantwortlich nutzen müssen. Oft arbeiten sie auch mit anderen Kindern zusammen. Da ist es normal, dass man sich gegenseitig fragt und hilft, wie unter Geschwistern. Die „Nuller“ lernen oft schnell lesen und schreiben, weil sie sehen, wie die „Großen“ es machen, und es ihnen nachtun. Das Zusammensein von Älteren und Jüngeren ist eine natürliche Lernquelle, die durch diese Unterrichtsform genutzt wird. Auch für die Älteren ist es gut, Jüngeren zu helfen. Was man anderen erklärt, versteht man selbst um so besser.

Damit das alles funktioniert, müssen die Lehrerinnen nicht eine Unterrichtsplanung für alle Kinder machen, sondern jeden Tag für alle Kinder neu durchdenken und vorbereiten. Der Unterricht wird also von den einzelnen Kindern her geplant.

Er folgt dem Prinzip der Individualisierung.

Er geht also nicht von der Frage aus, was alle Vorschulkinder, Erst- und Zweitklässler in dieser Woche lernen müssen, weil es „dran“ ist, sondern von der Frage: Wo stehen diese Kinder jetzt und wie soll es in dieser Woche für jedes einzelne von ihnen weitergehen? Die Leitfragen für eine solche Unterrichtsplanung hat eine bekannte Pädagogin (Mechthild Dehn) so formuliert:

Was kann das Kind schon?
Was muss es noch lernen?
Was ist als nächstes dran?

Aus der Sicht heutiger Forschung (vgl. Kapitel 1) ist diese Art der Individualisierung die angemessene Antwort auf die Unterschiedlichkeit der Kinder.

In fast 30jähriger Praxis hat die Laborschule so gute Erfahrungen mit der Altersmischung gemacht, dass sie inzwischen auch in den Jahrgängen 3, 4 und 5 fortgesetzt wird. Davon wird im folgenden Abschnitt die Rede sein.

Vielleicht ist Ihnen nach dieser Darstellung besser verständlich, warum die Schule sich nicht festlegen kann und will, wann genau Ihr Kind was lernt. Vielleicht ist es, wie der gedachte Harry, ein schneller und pfiffiger Rechner, der schon als Vorschulkind manchem Erstklässler voraus ist, auch als Techniker und Bastler, der sich aber mit dem Lesen und Schreiben schwer tut. Vielleicht gehört es, wie die gedachte Ronja, zu den Kindern, die voller Lebensfreude und Energie sind, mit allen Sinnen lernen, aber nicht gern lange und konzentriert üben.

Sie können sicher sein, dass die Lehrerin die Entwicklung Ihres Kindes genau beobachtet und nach bestem Wissen fördert. Und auch, dass es am Ende der Stufe I wichtige Dinge in seinem „Koffer“ hat, die ihm helfen, die nächsten Stufen zu bestehen.

Und so sieht der „Stufenkoffer“ für Ronja und Harry aus:

 
STUFENKOFFER I

 

 

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Stufe für Stufe - II
Stufe für Stufe - III
Stufe für Stufe - IV

Lernen ist nicht gleich Lernen

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