Denken, Lernen, Selbstlernen |
aus: Arbeitsgemeinschaft Lernmethodik, "Gewusst wie",
Sparkassen Schul Service, Deutscher Sparkassen Verlag, Stuttgart, 1998 (S. 50f)
Wenn du in der vorigen Etappe die enorme Bedeutung des Lernens wirklich vollund ganz erfasst hast, so sollte allein diese Erkenntnis einen überzeugenden Beweggrund dafür darstellen, dass du dich dem Lernen öffnest und nicht ablehnend gegenüberstehst. Die grundlegende Einsicht, dass es ohne Lernen nicht geht, weil das Lernen zur Natur des Menschen gehört, müsste bei dir und allenMenschen eine bereitwillige Einstellung zum Lernen hervorrufen.
Übrigens, alles was man gern tut, macht mehr Spaß und geht leichter. Macht Lernen eigentlich Spaß? Durchaus! Stelle dir nur einmal vor, wie widersinnig die Natur gegen sich selbst gehandelt haben müsste, wenn das Lernen, das uns ja einLeben lang begleitet, ausnahmslos eine miese Angelegenheit wäre. Das gesamte Leben würde dann zu einem einzigen Ärgernis - eine katastrophale Vorstellung.
Fragen wir also noch ein bisschen weiter nach. Wie heißt denn der menschliche Urtrieb, der schon das kleine Kind immer wieder zum Lernen drängt? Es ist die Neugierde. Leider hat der Begriff »Neugierde« heute einen leicht unangenehmenBeigeschmack erhalten, weil wir »neugierig« einen Menschen nennen, der sichzu stark in unsere privaten Angelegenheiten einmischt. »Sei nicht so neugierig«,heißt es dann. Ursprünglich bedeutet Neugierde allerdings etwas Positives.
Neugierde ist wertvoll
Bestimmt hast du schon einmal die Gelegenheit gehabt, ein kleines Kind, das noch nicht in die Schule geht, zu beobachten. Ist dir aufgefallen, mit welcher Begeisterung es seine Umwelt betrachtet, wie es alles wissen will und stets nach Erklärungen sucht? Kleine Kinder sind immer neugierig, sie bombardieren ihreMütter mit tausend Fragen. Zwar wird jede Mutter bei der dauernden Fragereiirgendwann einmal ungeduldig, aber grundsätzlich ist die kindliche Neugierdeetwas Gutes, weil sie zeigt, dass das Kind geistig aktiv und lernwillig ist und sich weiterentwickelt.
Neugierde, die Triebfeder des Lernens
»Wecke deine Neugierde!« So lautet eine ernstgemeinte Forderung. Du musstwieder »gierig« werden auf alles Neue in deiner Umgebung und die Neugierde zur Triebfeder deines Lernens machen. Eine gesunde Neugierde ist der entscheidende Antrieb, mehr wissen zu wollen, und damit ein wesentliches Motiv beim Lernen.
Warum-Frage als Ausdruck der Neugierde
Hast du übrigens auch darauf geachtet, wie die meisten Frageneines kleinen Kindes beginnen? Sie beginnen fast alle mit dem Fragewort»warum?«. »Warum ist die Wiese grün? Warum ist die Sonne heiß? Warum kannunser Hund nicht sprechen?« Die
Warum-Frage ist der stärkste Ausdruck der kindlichen Neugier. Wir haben den Begriff Motiv am Anfang mit Beweggrund übersetzt, und es ist einleuchtend, dass man nach einem Grund mit »warum« fragt. Diese Warum-Frage als die
Frage nach dem Grund, warum man etwas tut, darf nie erlöschen. Für dich als Schüler ist es daher
dringend notwendig, dass du dich immer wieder fragst: »Warum lerne ich eigentlich?«
Die wichtigste Antwort auf diese Frage haben wir schon gegeben. Das Lernen stellt für jeden Menschen ein
lebensnotwendiges Grundbedürfnis dar, das aus der angeborenen Neugierde erwächst, die wie ein positiver innerer Zwang wirkt. Diese Neugierde wird nur durch
ständiges Fragen, Forschen und - eben Lernen befriedigt.
Bestimmt erinnerst du dich! Methodix ist nach Lernhausen gefahren, um einen
Vortrag über Motivation zu halten. Er ist mittlerweile angekommen und betritt den
Vortragssaal. An den Wänden hängen überall riesige Poster mit Aufschriften in großen Buchstaben:
»Alles Lernen muss motiviert sein!« |
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»Je stärker der Lernantrieb, desto höher die Lernleistung!« |
»Positive Motivationen bewirken echte Lernfreude!« |
»Neugierde verhindert Trägheit« |
Lernen und Leistung gehören zusammen
Lernen und Leistung gehören zusammen, das sieht man auch an dem zusammengesetzten
Hauptwort "Lernleistung". Nicht selten verlangt Lernen von euch
Schülern beträchtliche Mühe und Anstrengung, aber das spürt ihr ja oft genug.
Wichtig ist allerdings die Feststellung, dass Lernleistungen häufig in demselbenMaße steigen, wie die Motivation größer
wird. Diese Abhängigkeit der Lernleistung von der Stärke der Motivation lässt sich oft beobachten. Selbstverständlich gibt es hierbei
Grenzen. So ist es klar, dass auch eine Verdoppelung derMotivation nichts mehr ausrichten kann, wenn die
Spitze des persönlichen Leistungsvermögens bereits erreicht ist.
Lernstörende Einflüsse beseitigen
Wie du weißt, treiben dich die verschiedensten Wünsche und Bedürfnisse zum Lernen an. Methodix betont ausdrücklich, dass jegliches Lernen, vor allem aber das schulische Lernen, erst dann
uneingeschränkt möglich wird, wenn vorher sowohl alle lernstörenden Einflüsse beseitigt als auch die wichtigsten
biologischen Grundbedürfnisse befriedigt worden sind.
Lernstörende Einflüsse können am Arbeitsplatz auftreten oder im seelischen Bereich verankert liegen.
Auf seelisches Gleichgewicht achten
Für das letztere ein Beispiel:
Thomas hat sich mit seinem besten Freund gestritten. Sie sind verkracht und sprechen nicht mehr miteinander, obwohl beiden recht viel an der Freundschaft liegt. Eine dumme Sache, beide waren nicht schuldlos, aber nun ist jeder zu stolz, auf den anderen zuzugehen. Mit der Zeit macht Thomas sich Vorwürfe und beschäftigt sich in Gedanken mehr und mehr mit diesem ärgerlichen Streit. Sein seelisches Gleichgewicht ist gestört, und das hindert Thomas erheblich amLernen. Die Konzentration lässt nach, und sein Lerneifer schwindet. Erst als die Mutter ihn dazu überredet hat, den Freund anzurufen und die Angelegenheit ins Reine zu bringen, kann Thomas wieder gut lernen. Eine schlechte seelische Verfassung, hervorgerufen durch Sorgen, Ärger, Streit mit Freunden, Vater oder Mutter, ist demnach ein denkbar ungünstiger Begleiter beim Lernen. |
Nun zu den wichtigsten biologischen Grundbedürfnissen: Essen, Trinken, Wärme, Schlaf, Gesundheit, Kontakt zu anderen bilden unbedingte
Voraussetzungen für wirkungsvolles Lernen.
Stelle dir einen fleißigen Schüler vor, der noch eine Menge zu lernen hat, aber vom
knurrenden Magen abgelenkt wird.
Oder wenn du übermüdet vor dem Geschichtsbuch sitzt und zu behalten versuchst, ob Karl der Kahle oder Karl der Einfältige König im Westfrankenreich war. (Der Kahle war's übrigens...)
Erfolg und Anerkennung sind wichtig
Aber nicht nur Essen, Trinken und Schlafen sind Urbedürfnisse des Menschen, sondern auch
Streben nach Erfolg sowie das Verlangen nach Anerkennung.
Jeder Mensch - auch du und wir - braucht ab und zu ein anerkennendes Wort
und das Gefühl, gebraucht zu werden. Ohne Selbstbestätigung und eine
gelegentliche Streicheleinheit verkümmert der Mensch und wird innerlich krank.
Wie war das noch? Spaß und Freude am Lernen, so hießen die zentralen Begriffe, die bei der Behandlung positiver Motivation als grundlegende Merkmale im Mittelpunkt standen. »Wo sind sie geblieben?« kann man da nur fragen, wenn man einen Schüler sieht, der unter der Last seiner Aufgaben fast zusammenbricht und den ganzen Kram am liebsten hinschmeißen würde. Welche Freude!
Erfolgserlebnisse durch Portionen
An dieser Stelle möchten wir dich an die Etappe mit dem Thema >Portionen<
erinnern. Schon dort wurdest du unter dem Motto »Überblick verschaffen« dazuaufgefordert, deinen
gesamten Lernstoff als geeignete Tätigkeit für die Anwärmphase in kleine Portionen
aufzuteilen. Nicht nur, dass mit dieser Einteilung ein idealer Lerneinstieg gefunden sei, nein, mit der späteren Erledigung jeder einzelnen Portion könne man ein kleines Erfolgserlebnis verspüren. Ganz richtig!
Alles Lernen sollte möglichst positiv motiviert werden. Dieses wiederum bedeutet, dass Lernen Spaß und Freude bereiten soll. Freude empfindest du aber nur, wenn dir etwas
Schönes und Angenehmes begegnet, wenn du Erfolg hast. Jedes Erfolgserlebnis wirkt als
Belohnung und verstärkt die Lust am Weitermachen.
Lernschritte müssen angenehme Folgen haben
Lernschritte müssen angenehme Folgen haben. Damit das auch klappt, ist es notwendig, dass du deinen Lernstoff in
leicht verdauliche Portionen einteilst. Der einzelne Lernschritt darf weder zu lang noch zu schwierig sein.
Wählst du den Schwierigkeitsgrad zu hoch, so stellen sich Misserfolge ein.
Misserfolge vermindern natürlich - vor allem, wenn sie sich häufen - deine Lernmotivation. Trotzdem gehören unangenehme Ergebnisse
dazu.
Fehler stellen einen Teil des Lernprozesses dar und können dich im Einzelfall sogar weiterbringen. Nicht umsonst heißt es: »Aus Fehlern wird man klug.« Auf keinen Fall aber solltest du dich gleich entmutigen lassen, wenn ein Lernschritteinmal nicht zum Erfolg geführt hat. Hast du eine Aufgabe nicht verstanden oder kommst du mit einer Themenstellung nicht zu Rande, so probiere es noch einmal so gut es eben geht. Unter keinen Umständen verbohre dich aber in deinen Misserfolg und verbringe an der Aufgabe den ganzen Nachmittag. Solch ein Verhalten würde deine Stimmung auf den Nullpunkt senken und dir den ganzen Tag vermiesen.
Dann lieber: Mut zur Lücke und am nächsten Tag den Lehrer gefragt! Selbstverständlich setzt dieses Verhalten Ehrlichkeit gegenüber sich selbstvoraus und soll nicht deiner Bequemlichkeit Vorschub leisten. Eine gute Möglichkeit, bei Schwierigkeiten weiterzukommen, ist es auch, wenn du einen Klassenkameraden anrufst oder mit anderen zusammenarbeitest. Sollten sich deineMisserfolge aber häufen, so ist es ratsam, eine Nachhilfe ernsthaft in Erwägung zuziehen und mit den Eltern darüber zu sprechen.
Durch Erfolg zum Erfolg
Jetzt aber wieder zurück zum Lernen am Erfolg. Ein solches Lernen wirkt wie ein
Verstärker, denn dein Lernen wird nicht nur erfreulicher, sondern auch
wirksamer, wenn es aus einer Kette von Erfolgserlebnissen besteht. Jeder
Lernerfolg belohnt dich innerlich - da ist kein großes Geschenk notwendig. Lernerfolge erhöhen den Spaß an der Sache und heben die Lernfreude. So entsteht gleichsam eine
Kettenreaktion von Erfolg zu Erfolg, bei der das Lernen sich sozusagen selbst belohnt.
Erfolgskontrollen durchführen
Einen wichtigen Punkt darfst du natürlich nicht vergessen. Selbstverständlich musst du nach jedem Lernschritt eine Erfolgskontrolle durchführen und überprüfen, ob du deinen Arbeitsabschnitt zeitgerecht bewältigt und - soweit du das selbst beurteilen kannst - die Aufgabe richtig gelöst hast. (S. 46-49)
Angst und Stress lähmen die Handlungsfreude
Du hast bestimmt schon Tage erlebt, an denen es drunter und drüber ging, an denen du nicht mehr
wusstest, wo dir der Kopf stand. Du warst voll im Stress.
Wenn du bei deiner Arbeit sehr vielen Reizen wie Lärm, Hetze und Zeitdruck
ausgesetzt bist, wenn du Angstgefühle vor der nächsten Klassenarbeit verarbeiten
musst oder persönliche Probleme dich bedrücken, wenn mehrere dieser
Punkte gar zusammentreffen, dann gerätst du in einen Spannungszustand, den
man Stress nennen kann. Und wenn diesem Spannungszustand keine Entspannung folgt, wirst du mit der Zeit so mut- und lustlos,
dass du am liebsten allem
davonlaufen möchtest. Es liegt auf der Hand, dass bei derartigen Belastungen
deine schulischen Leistungen ganz stark beeinflusst werden.
Wenn du Krach mit deinen Eltern hast, weil du dich angeblich zuviel mit deinen
Freunden herumtreibst, erst abends nach Hause kommst, deine Hausaufgaben nur unvollständig erledigst, am nächsten Morgen
unausgeschlafen und ohne Frühstück in die Schule eilst und dann ständig
Angst hast, aufgerufen zu werden, so spürst du am eigenen Leibe, was
Stress ist.
Probleme nicht verdrängen
Es hat nun gar keinen Zweck, diese Probleme einfach zu verdrängen. Dadurchwerden sie nicht beseitigt. Du kannst aber versuchen, verschiedene dieser Probleme zu lösen. Beginne einmal, deinen Tagesablauf an einigen Schwachstellen zu ändern. Wie wär's, wenn du dir die Zeit nimmst, ein paar Minuten früher aufstehst, einige gymnastische Übungen machst oder kurz etwas frische Luft schnappst? Du wirst jetzt denken, dass du weder ein Sohn von Turnvater Jahn bist noch einen Ehrgeiz zum Spitzensportler entwickeln möchtest. Beides ist hier nicht gefragt. Aber wer sich so auf den Tag vorbereitet, unternimmt auch einen ersten Schritt, Stress abzubauen.
Was haben Beinmuskeln mit dem Gehirn zu tun?
Ein bekannter amerikanischer Wissenschaftler hat dazu bemerkt: »Wenn du wissen willst, wie schlapp dein Gehirn ist,
befühle die Muskulatur deiner Beine!« Er will damit sagen, dass viel
Bewegung in
der frischen Luft die Konzentration erheblich fördert. Wer konzentriert geistig
arbeitet, verbraucht beispielsweise 15 % mehr Sauerstoff als bei normaler Tätigkeit.
Auch ein gemütliches Frühstück ist für den Stressabbau sehr wichtig. Denn wer sich dabei
Zeit lassen kann, geht schon einmal mit einer besseren Stimmung zur Schule.
Wenn du nun in der Klasse sitzt, darfst du nicht mit der Grundeinstellung
an dieArbeit gehen: »Heute geht es wohl wieder schief.« Denn solche negativen
Vorstellungen lähmen dich und mindern deine Leistungsfähigkeit. Und vor allem
zieht man durch derartiges Denken das Befürchtete geradezu herbei.
Gegen diese Ängste, Schwarzseherei und Zweifel gibt es ein wirksames Mittel: Setze dein
positives Denken dagegen! Positive Denker entscheiden sich,
weil sie wissen, dass irgendeine Entscheidung besser ist, als ein passives tatenloses Verharren und Abwarten.
Angstdenker nämlich sehen immer wieder ein »Wenn« und ein
»Aber«, sie können sich nicht entscheiden. Wer sich aber nicht entscheidet, kann auch
keinen Entschluss fassen, etwas zu unternehmen.
Bist du aber positiv eingestellt, glaubst du an den positiven Verlauf und richtest dein Handeln danach
aus. So nimmst du dir vor, dich zu melden, etwas an der Tafel ausrechnen zu wollen, Fragen zu stellen, ohne Angst, deshalb ausgelacht zu
werden, kurzum, zu zeigen, dass du gerne mitarbeitest und dir der
Lernstoff Spaß macht.
Der Anspannung muss die Entspannung folgen
Nach einem solchen Schultag kommst du auch fröhlicher nach Hause, genießt das Mittagessen und benutzt die Mittagspause für eine echte Entspannung bei Musikhören, Lesen oder Spielen.
Übersicht schaffen heißt Stress vermeiden
Wenn du dann bei deinen Hausaufgaben eine sinnvolle Einteilung vornimmst,die Klassenarbeitsvorbereitung in deinem Wochenplan rechtzeitig unterbringst, eine geeignete Pausenregelung einhältst und deine Freizeit gut zu nutzen weißt, hast du damit weitere ganz entscheidende Schritte unternommen, dem Schreckgespenst Stress den Garaus zu machen.
Richte also deine Aufmerksamkeit nicht auf das, was Ärger bereiten könnte, grüble nicht darüber nach, was Unangenehmes auf dich zukommen könnte. Konzentriere dich bewusst auf die positiven Seiten deiner Mitmenschen, deiner Eltern, Kameraden und Lehrer. Du wirst sehen, dass es noch einige positive Seiten zu entdecken gibt. Und irgendwie spüren diese Personen deine Einstellung und werden sich auch dir gegenüber anders verhalten. Wenn du dies mit einiger Ausdauer fertig bringst, wirst du selbst über deinen Erfolg mit dieser Methode überrascht sein.
Konzentriere dich auf eigene positive Leistungen in der Vergangenheit, auf Situationen, in denen du eine Schwierigkeit gemeistert hast. Wenn du es damals geschafft hast, wirst du es auch diesmal schaffen!
(Fortsetzung) Die verschiedenen Lerntypen
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