Denken, Lernen, Selbstlernen |
Mündliches und Schriftliches abwechseln (voriger Abschnitt)
Klassenarbeiten sinnvoll vorbereiten
Bei Thomas zu Hause ist dicke Luft. Morgen soll eine Klassenarbeit in Englisch geschrieben werden. Thomas war vor kurzem
krank und hatte vier Tage in der Schule gefehlt. Er
wusste zwar genau, wann die Klassenarbeit stattfinden sollte, hatte es aber immer wieder
aufgeschoben, den versäumten Lernstoff nachzuholen. Nun sitzt er noch am Abend über den Englischbüchern, murmelt neue
Vokabeln, kämpft sich durch neue Grammatikkapitel und versucht, die Erzählung im Lehrbuch zu
verstehen und im Kopf zu behalten. Zusätzlich
müsste natürlich alter Stoff wiederholt werden - man weiß ja nie genau, was drankommt.
Mehr als vier Stunden arbeitet Thomas nun schon!
Thomas hat die Englischarbeit heute geschrieben, für die er gestern fast vier Stunden lang gelernt hatte. Während der Arbeit war ihm vieles einfach nicht
eingefallen, das er gestern noch gelesen hatte. Auf dem Nachhauseweg fällt ihm das meiste
wieder ein. Er ärgert sich über sich selbst.
Einige Tage später liest er in dicker, roter Schrift unter der Klassenarbeit
>Mangelhaft<. Seine Eltern sind entsetzt: »Du hast doch stundenlang für die Arbeit gepaukt, und jetzt
so was! Mein Gott, Thomas!«
Viel vorbereitet - schlechte Arbeit - wenig vorbereitet - bessere Arbeit ... ?
Was Thomas hier wieder erlebt hat, können sicherlich viele aus eigener bitterer
Erfahrung bestätigen. Ist es auch dir schon einmal so ergangen,
dass eine Klassenarbeit daneben geraten ist, die du am Tag zuvor intensiv vorbereitet hattest,
und du in einer Arbeit, die am Vortag nur mäßig vorbereitet wurde, ein
überraschend gutes Ergebnis erzielt hast? Wenn ja, ist die Lösung doch schnell
gefunden: Viel vorbereitet = schlechte Arbeit, wenig vorbereitet = bessere Arbeit...
Ganz so einfach geht die Rechnung leider nicht auf. Aber trotzdem steckt ein
richtiger Ansatz dahinter!
Sehen wir uns hierzu wieder ein Schaubild an,
das für 13- bis 14-jährige ungefähr zutrifft:
Wie viel man an einem Tag lernen kann.
Man kann erkennen, dass in den ersten zwei bis zweieinhalb Stunden eine beachtliche Lernmenge aufgenommen wird.
Mit zunehmender Zeit wird immer weniger Lernstoff aufgenommen
Aber mit zunehmender Zeit kann immer weniger neuer Lernstoff gespeichert werden. Nach dreieinhalb Stunden ist sogar der Nullpunkt erreicht, das heißt jetzt wird nichts Neues mehr aufgenommen, nichts mehr im Gehirn verarbeitet und nichts mehr im Gedächtnis gespeichert.
Wenn wir die Lernmenge mit Wasser und unser Gehirn mit einem Schwamm vergleichen, könnten wir sagen, der Schwamm ist pitsche-patsche-nass, er nimmt jetzt kein Wasser mehr auf. Nun steht da jemand mit einer Gießkanne und will unbedingt das restliche Wasser im Schwamm unterbringen. Und er gießt und gießt...
Weiterlernen nach dem Nullpunkt ist reine Zeitverschwendung
Was bedeuten denn die schwarz gepunkteten Abschnitte? Nichts Gutes. Sie zeigen nämlich die
Verluste, die auftreten, wenn man zu lange lernt.
Nicht nur, dass man nichts Neues mehr aufnimmt, sondern bereits beherrschter Lernstoff wird durch die Menge des neuen Lernstoffs, durch ein
"Überlernen" wieder verdrängt.
Durch Überlernen wird bereits Gelerntes wieder verdrängt.
Dazu am besten nochmals ein Vergleich:
Stelle dir einen vollbesetzten Schulbus vor. Jetzt kommt dieser an die nächste Haltestelle, vordere und hintere Tür werden geöffnet. Vorne drängen neue Schüler hinein. Weil der Bus aber vollbesetzt ist, können »Neue« nur
nachrücken, wenn »Alte« aussteigen oder herausgedrängt werden. Vergleiche in diesem Beispiel den Bus mit dem
Gehirn und die Schüler mit den neuen Vokabeln und Grammatikregeln.
Beim Lernen merkt man gar nicht, wie viel »Altes« wieder hinausgedrängt
wird, wie die Konzentration
nachlässt und sich dadurch Fehler einschleichen - meist Flüchtigkeitsfehler. Man wird derart verwirrt,
dass man nach stundenlangem Lernen zwar einen dicken Kopf hat, aber nur einen
mageren Lernerfolg - manchmal weiß man hinterher sogar weniger als vorher.
Jetzt freust du dich bestimmt, dass du deiner Mutter oder deinem Vater schwarz auf weiß zeigen kannst, dass man nicht zuviel lernen soll.
Zuviel auf einmal ist unsinnig
Doch Moment mal, bitte weiterlesen! Unsinnig ist nur, zuviel auf einmal zu lernen. Wird in einer Klassenarbeit ein umfangreiches Stoffgebiet behandelt,
muss auch viel dafür gelernt werden. Das ist aber nur sinnvoll, wenn man rechtzeitig mit der Vorbereitung anfängt. Denn auch geistige Nahrung
muss verdaut werden.
Lernstoff muss sich in Ruhe setzen können
Deshalb sollte man am Tage vor der Klassenarbeit keinerlei neuen Stoff in diesem Fach mehr anrühren. Beschränke dich vielmehr auf eine Wiederholung, und zwar in Form eines lockeren Überfliegens.
Rechtzeitig mit dem Lernen aufhören
Das kann man sich aber nur leisten, wenn man an den vorhergehenden Tagen für die Arbeit gelernt hat. Dann nämlich ist der Lernstoff gefressen, hat sich gesetzt und ist verdaut. So kannst du dir übrigens erklären, warum du bei einer weniger gut vorbereiteten Arbeit mal besser abgeschnitten hast: Du musstest verdaute Erinnerungen hervorholen, die nicht von frischem, unverdautem Ballast überlagert waren. (S. 32f)
Unmittelbar vor und während der Klassenarbeit
Lass dich unmittelbar vor einer Klassenarbeit oder einem Test nicht mehr auf Diskussionen mit deinen Mitschülern ein; es gibt nämlich immer welche, die meinen, kurz vor der Klassenarbeit ihr Wissen an andere bringen zu müssen.
Wenn dir die Prüfungsaufgaben vom Lehrer gegeben werden, dann beobachte nicht deine Klassenkameraden, sondern versuche vielmehr, dich auf dich selbst zu konzentrieren. Oft hilft auch ein kleines Selbstgespräch in Gedanken, um sich zu beruhigen. Du kannst dir zum Beispiel sagen: »Ich habe mich, so gut es ging, vorbereitet, also werde ich es auch schaffen!«
Aufgabenstellung im Augebehalten
Nachdem du deine Aufgaben bekommen hast, lies diese erst zwei- bis dreimal durch. Erscheint dir dabei eine Aufgabe
unklar gestellt, so frage bei deinem Lehrer zurück. Scheue dich nicht davor: Auch wenn deine Mitschüler vielleicht wegen deiner »dummen« Frage grinsen. Wahrscheinlich ist mancher
froh, dass du gefragt hast, weil ihm selbst der Mut gefehlt hat.
Natürlich solltest du nicht dauernd den Lehrer fragen. Um aber die Aufgabenstellung immer im Auge zu
behalten, musst du dich selbst ständig fragen: Was ist hier gefordert?
Habe ich die Aufgabe verstanden? Muss ich noch ein Wort oder einen Begriff
klären? Habe ich noch den nötigen Überblick? Wenn dir eine Aufgabe unklar bleibt, lies die
Aufgabenstellung noch einmal Wort für Wort durch und schau, ob du ein Wort beim ersten Durchlesen vielleicht völlig
anders aufgefasst hast. Wenn du nicht weißt, was überhaupt gefragt ist, kannst du auch
keine vernünftige Antwort geben.
Ein weiteres wichtiges Moment ist auch, dass du dir deine Prüfungszeit einteilst. Hast du dir einen
Überblick verschafft, so lege die Reihenfolge fest, in weicher du vorgehen willst.
Einteilung der Prüfungsaufgaben
Die Reihenfolge hängt davon ab, welchen Schwierigkeitsgrad die Aufgaben haben und die Zeit, die du dafür benötigst, um sie zu lösen. Lass dich nicht durch eine erste Unkenntnis erschrecken. Suche dir eine Aufgabe aus, mit der du beginnen willst. Gib nicht gleich auf, wenn du nicht weiterkommst. Wenn du mit jeder Aufgabe anfängst und sie gleich wieder beiseite legst, um die nächste herzunehmen, kannst du dich in eine regelrechte Prüfungspanik treiben.
Versuche, nach dem Klären aller Worte und Begriffe den Lösungsweg zu entwickeln. Du wirst sehen, oft fallen dir auch die Dinge wieder ein, die dir zunächst als unbekannt erschienen sind.
Begehe aber nicht den Fehler und beiß dich an Aufgaben fest, die du nicht lösen kannst. Du würdest nämlich zuviel
Zeit verlieren. Wenn dir die Aufgabenstellung zwar klar ist, du aber im Augenblick dazu nichts zu schreiben weißt, dann
übergehe diese Aufgabe, lass eine Lücke, an der du am Schluss, wenn noch Zeit hierfür bleibt, weiterarbeiten kannst,
Fällt dir zu einer Fragestellung sehr viel ein, dann vergeude nicht allzu
viel Zeit darauf. Schreibe nur das Wesentliche nieder.
Bei einer längeren schriftlichen Arbeit solltest du dir zwischendurch immer wieder einmal eine kurze Pause gönnen. Vor allem, wenn dir nichts mehr einfällt, so lege das Schreibzeug weg und entspanne dich kurz. Versuche, tief durchzuatmen. Du wirst sehen, dass es danach schon etwas besser geht. Vor allem verhinderst du dadurch, dass deine Prüfungsanspannung dich verkrampft und du dich an etwas festbeißt und nur die wertvolle Zeit vergeudest. Gerade wenn du unter Zeitdruck stehst, ist die Entspannungspause besonders wichtig. Von einer Aufgabe abschalten, kurz entspannen (etwa eine Minute lang) und wieder mit neuer Anspannung an die nächste Aufgabe!
Wer sich beobachtet fühlt,verliert Zeit und Ruhe
»Wenn der Lehrer mir bei der Klassenarbeit über die Schulter schaut, schaffe ich nichts mehr und warte nur darauf, dass er weitergeht. So verliere ich kostbare Arbeitszeit.« Vielleicht kannst du Claudias Belastung nachempfinden. Wenn dein Lehrer es ebenso handhabt, solltet ihr in der Klasse einmal mit ihm darüber sprechen. Den meisten Lehrern ist nämlich gar nicht bewusst, wie sehr sie durch dieses »auf die Finger schauen« ein zügiges Arbeiten verhindern. Böse Absicht steckt fast nie hinter dieser Lehrerangewohnheit.
Verhältnis der Strapazen zum Ergebnis
Etwas anders sieht es allerdings aus, wenn du dich ständig in eine außergewöhnliche Stresssituation begibst, um mit deinem Spickzettel zurecht zu kommen. Diese Belastung steht meistens nicht in einem besonders günstigen Verhältnis zum Ergebnis. Allzu oft hilft der unter größten Strapazen eingesetzte Spickzettel gar nicht wirkungsvoll weiter, und wieder ist ein Stück kostbarer Zeit verloren.
Anfertigen brauchbarer Spickzettel als Prüfungsvorbereitung
Natürlich kann mit etwas Glück ein Spickzettel einmal erheblich weiterhelfen. Aber auch das Anfertigen eines
brauchbaren Spickzettels will gelernt sein! In Kurzfassung Wesentliches zusammenfassen ist wichtigste Voraussetzung. Wer dies als
Training seiner Klassenarbeitsvorbereitung versteht, sollte einen solchen Spickzettel durchaus erstellen. Mit Rücksicht auf die
außergewöhnliche Belastung sollte man ihn allerdings nicht unbedingt bei der Arbeit einsetzen. Es kommt nämlich auch vor, dass man sehr viel Zeit verliert, mit seinen Gedanken dauernd um diesen Spickzettel kreist, und wenn man ihn dann endlich einsetzen kann, merkt man, wie nutzlos er bei dieser Aufgabe ist.
Aus Vernunftgründen in den meisten Fällen abzuraten
Nicht nur aus moralischen Gründen, sondern vor allem aus Vernunftgründen sollte man sich
unabhängig machen von einer solchen Arbeitshilfe. Viel sinnvoller wäre es, sein
Training für Klassenarbeiten so zu gestalten, dass man Aufgaben allein und selbständig lösen kann.
Frage stets, was gefragt ist !!
Hier die Übersicht über die in der Broschüre erläuterten verschiedenen "Etappen",
das heißt über die grundsätzlichen und praktischen Tipps und Tricks, die
alle lesenswert sind:
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