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  Überblick

II. Die drei Pfeiler der EU

Vorbemerkung

Die EU, die über einen einheitlichen institutionellen Rahmen verfügt, besteht aus den drei Gemeinschaften EG (erster Pfeiler), EGKS und Euratom, die jeweils eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen und durch ihre Organe im Rahmen ihrer Befugnisse vertreten werden, sowie aus den Bereichen Außen- und Sicherheitspolitik (zweiter Pfeiler) und der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit (dritter Pfeiler), in denen die Beschlussfassung im Rahmen der Regierungszusammenarbeit erfolgt und den Gemeinschaftsorganen nur eine begrenzte Rolle eingeräumt wird.

 
1. Europäische Gemeinschaft (EG)

An die Stelle der EWG trat durch den EU-Vertrag (1993) die Europäische Gemeinschaft (EG) mit neuen bzw. erweiterten Kompetenzen.

Aufgabe (Art. 2 EG-Vertrag) ist es, »in der ganzen Gemeinschaft eine harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens, ein hohes Beschäftigungsniveau und ein hohes Maß an sozialem Schutz, die Gleichstellung von Männern und Frauen, ein beständiges, nichtinflationäres Wachstum, einen hohen Grad von Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz der Wirtschaftsleistungen, ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität, die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern.«

Die Politiken der Gemeinschaft umfassen freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital (Binnenmarkt), Landwirtschaft, Verkehr, Visa, Asyl, Einwanderung und andere den freien Personenverkehr betreffenden Politiken, gemeinsame Regeln betreffend Wettbewerb, Steuerfragen und Angleichung von Rechtsvorschriften, Wirtschafts- und Währungspolitik, Beschäftigung, gemeinsame Handelspolitik, Zusammenarbeit im Zollwesen, Sozialpolitik, allgemeine und berufliche Bildung und Jugend, Kultur, Gesundheitswesen, Verbraucherschutz, Transeuropäische Netze (TEN), Industrie, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt (Kohäsion), Forschung und technologische Entwicklung, Umwelt und Entwicklungszusammenarbeit.

Kompetenzen: Die EG besitzt Rechtspersönlichkeit und eine eigene Rechtsordnung, die auf dem Gebiet der Gemeinschaft unmittelbar Anwendung findet. Die Gemeinschaft kann in dem Ausmaß, in dem die Mitgliedstaaten ihr im Rahmen der Verträge Befugnisse zugewiesen haben, durch ihre supranationalen Organe mit exekutiven Befugnissen Recht setzen, das nicht nur für die Gemeinschaft und ihre Organe, sondern auch für die Mitgliedstaaten und deren natürliche und juristische Personen unmittelbar gilt. Der Grad der Kompetenzübertragung hängt ab vom Tätigkeitsgebiet: In einigen Bereichen wird eine »einheitliche« Politik (Geld- und Wechselkurspolitik in den EU-Staaten, die den Euro als gemeinsame Währung eingeführt haben), auf anderen Gebieten eine »gemeinsame« Politik vereinbart (z.B. Landwirtschaft, Fischerei, Verkehr, Handel); in weiteren Bereichen sind nur eine enge Koordinierung (z.B. Wirtschaftspolitik), »eine« Politik (z.B. Umwelt- und Sozialpolitik, Entwicklungszusammenarbeit), ein »Beitrag« (z.B. Gesundheits- und Verbraucherschutz, Bildung, Kultur), »Maßnahmen« (z.B. freier Personenverkehr, Energie, Katastrophenschutz, Fremdenverkehr) oder die »Förderung« (z.B. Koordinierung der Beschäftigungspolitik, Forschung) unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips vorgesehen. Die Erfordernisse des Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutzes sowie das Ziel eines hohen Beschäftigungsniveaus sind bei Festlegung und Durchführung aller Gemeinschaftspolitiken zu berücksichtigen. Bei Fördermaßnahmen in den Bereichen Bildung, Kultur und Gesundheitswesen ist jedoch ausdrücklich »jegliche Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten« ausgeschlossen.

Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts: Die Bereiche Kontrolle der EU-Außengrenzen, Asyl, Einwanderung und justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen, die seit 1993 Teilbereiche des dritten Pfeilers der EU waren, wurden durch den Vertrag von Amsterdam (1999) in den Gemeinschaftsrahmen (erster Pfeiler der EU) überführt. Der Schengen-Besitzstand (Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen) wurde mit einem Protokoll zum Vertrag in den EU-Rahmen einbezogen; d.h., die Mitgliedstaaten, die die Schengener-Übereinkommen (seit 26.3.2000 ist auch Griechenland Anwenderstaat) unterzeichnet haben, stellen ihre Zusammenarbeit beim Abbau der Binnengrenzen in den rechtlichen und institutionellen Rahmen der EU. Die Vergemeinschaftung soll binnen fünf Jahren erfolgen. Während dieser Übergangszeit erlässt der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission oder eines Mitgliedstaats nach Anhörung des Europäischen Parlaments (EP) Maßnahmen zum schrittweisen Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Nach fünf Jahren erhält die Kommission das alleinige Initiativrecht, und der Rat beschließt einstimmig die Teilbereiche, für die zum Mitentscheidungsverfahren überzugehen ist und die Bestimmungen über die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) anzupassen sind. – Die gemeinsame Visapolitik wurde bereits durch den EU-Vertrag (1993) eingeführt; der Rat bestimmt auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des EP mit qualifizierter Mehrheit die Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der EU-Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen. – Dänemark (ausgenommen Visapolitik), Großbritannien und Irland haben einen Sonderstatus.

Unionsbürgerschaft: Durch die mit dem EU-Vertrag (1993) eingeführte, die nationale Staatsbürgerschaft ergänzende Unionsbürgerschaft erhielten die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten bestimmte Rechte: u.a. Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt in der EU, aktives und passives Wahlrecht am Wohnsitz bei Kommunalwahlen und EP-Wahlen, diplomatischen Schutz in Drittstaaten, Petitionsrecht beim EP und Recht auf Anhörung durch den Bürgerbeauftragten.

Subsidiarität (Art. 5 EG-Vertrag): In Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird die Gemeinschaft nur tätig, sofern und soweit die Ziele der Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können. Ein Protokoll zum Vertrag von Amsterdam präzisiert Bedingungen und Kriterien für die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.

Organe der EG siehe Abschnitt IV.

Amtssprachen: Dänisch, Deutsch, Englisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Italienisch, Niederländisch, Portugiesisch, Schwedisch und Spanisch. Zusätzliche Vertragssprache: Irisch.

 
2. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)

Entstehung: Die Information und Konsultation der Mitgliedstaaten in außenpolitischen Fragen im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit / EPZ (*1970, seit 1987 durch die EEA vertraglich geregelt) wurde durch den EU-Vertrag (1993) zu einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) fortentwickelt; deren Kohärenz, Effizienz und Transparenz wurden durch den Vertrag von Amsterdam (1999) verbessert. Das zunächst vereinbarte »Bemühen« um eine gemeinsame Außenpolitik wurde 1993 abgelöst vom verbindlichen »Beschluss«, eine sich auf alle Bereiche der Außen- und Sicherheitspolitik erstreckende GASP zu verwirklichen, wozu auch die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik gehört, die zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte, falls der ER dies beschließt. Dieser beschloss am 3. / 4.6.1999, dass im Bereich der im EU-Vertrag (1999) als GASP-Angelegenheiten festgeschriebenen sog. Petersberger Aufgaben (humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschl. friedenschaffender Maßnahmen) die EU bis Ende 2000 die Aufgaben der Westeuropäischen Union übernimmt. – Dänemark muss sich nicht an Beschlüssen mit verteidigungspolitischem Bezug beteiligen. – Bisher ist die GASP nur in ersten Ansätzen vorhanden; sie ersetzt keinesfalls die nationalen Außenpolitiken.

Ziele (Art. 11 EU-Vertrag): Wahrung der gemeinsamen Werte, grundlegenden Interessen und Unabhängigkeit der Union; Stärkung der Sicherheit der Union; Wahrung des Friedens und Stärkung der internationalen Sicherheit entsprechend den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen sowie den Prinzipien der KSZE-Schlussakte und den Zielen der Charta von Paris (OSZE); Förderung der internationalen Zusammenarbeit; Entwicklung und Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten.

Instrumente der GASP sind gemeinsame Strategie, gemeinsame Aktion und gemeinsamer Standpunkt. Die Beschlussfassung erfolgt im Rahmen der Regierungszusammenarbeit. Der ER bestimmt die Grundsätze und allgemeinen Leitlinien der GASP und beschließt (u.U. auf Empfehlung des Rats) einstimmig gemeinsame Strategien, die in Bereichen von wichtigem gemeinsamen Interesse der Mitgliedstaaten von der Union durchzuführen sind (z.B. gemeinsame Strategien für die Beziehungen zur Russischen Föderation und zur Ukraine); in diesen sind jeweils Zielsetzung, Dauer sowie die von der Union und den Mitgliedstaaten bereitzustellenden Mittel anzugeben. Der Rat setzt die vom ER beschlossenen gemeinsamen Strategien um, v.a. durch die Annahme gemeinsamer Aktionen und gemeinsamer Standpunkte. Gemeinsame Aktionen betreffen spezifische Situationen, in denen eine operative Aktion der Union für notwendig erachtet wird; sie sind für die Mitgliedstaaten bei ihren Stellungnahmen und ihrem Vorgehen bindend. In gemeinsamen Standpunkten wird das Konzept der Union für eine bestimmte Frage geographischer oder thematischer Art bestimmt; die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass ihre nationale Politik mit diesen in Einklang steht. – Zu jeder außen- und sicherheitspolitischen Frage von allgemeiner Bedeutung findet im Rat eine gegenseitige Unterrichtung und Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten statt. Beschlüsse zur GASP werden vom Rat grundsätzlich einstimmig gefasst. Ein Beschluss kann aber auch bei Stimmenthaltung von Ratsmitgliedern zustande kommen, sofern die Enthaltungen nicht mehr als einem Drittel der gewogenen Stimmen im Rat entsprechen (konstruktive Stimmenthaltung). Ein Mitgliedstaat, der sich der Stimme enthält, ist zur Durchführung des Beschlusses nicht verpflichtet, akzeptiert jedoch, dass dieser für die Union bindend ist. Bei Beschlüssen, die auf einer gemeinsamen Strategie basieren, v.a. Annahme einer gemeinsamen Aktion oder eines gemeinsamen Standpunkts sowie Beschlüsse zu deren Durchführung, beschließt der Rat mit qualifizierter Mehrheit (mindestens 62 der 87 gewogenen Stimmen aus mind. zehn Mitgliedstaaten); ausgenommen hiervon sind Beschlüsse mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen. Falls ein Ratsmitglied aus wichtigen Gründen der nationalen Politik einen mit qualifizierter Mehrheit zu fassenden Beschluss abzulehnen beabsichtigt, erfolgt keine Abstimmung und die Angelegenheit kann zur einstimmigen Beschlussfassung an den ER verwiesen werden.

Der Vorsitz im Rat vertritt die Union in Angelegenheiten der GASP, ist für die Durchführung der gefassten Beschlüsse verantwortlich und legt in bzw. auf internationalen Organisationen und Konferenzen den Standpunkt der Union dar.

 
3. Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen

Entstehung: Durch den EU-Vertrag (1993) wurde für die bisher nicht geregelte Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres erstmals eine Form der Regierungszusammenarbeit vereinbart; diese verpflichtet die Mitgliedstaaten lediglich zur Koordinierung ihres Handelns. Da durch den Vertrag von Amsterdam (1999) Teilbereiche des dritten Pfeilers der EU (zwischenstaatliche Zusammenarbeit) in den ersten Pfeiler der EU (Gemeinschaftsmethode) überführt wurden, verbleiben im Bereich des dritten Pfeilers nur die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen.

Ziele: Verhütung und Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Kriminalität, v.a. Terrorismus, Menschenhandel und Straftaten an Kindern, Drogen- und Waffenhandel sowie Korruption und Betrug durch eine engere Zusammenarbeit der Polizei-, Zoll- und Justizbehörden der Mitgliedstaaten, sowohl unmittelbar als auch unter Einschaltung des Europäischen Polizeiamts (Europol) und, soweit erforderlich, durch Angleichung der strafrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten.

Instrumente und Verfahrensweise: Die Mitgliedstaaten unterrichten und konsultieren einander im Rat, um ihr Vorgehen zu koordinieren, und begründen eine Zusammenarbeit zwischen ihren zuständigen Verwaltungsstellen. Der Rat kann auf Initiative eines Mitgliedstaats oder der Kommission einstimmig gemeinsame Standpunkte, durch die das Vorgehen der Union in einer gegebenen Frage bestimmt wird, Rahmenbeschlüsse zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten oder Beschlüsse für jeden anderen Zweck annehmen und Übereinkommen ausarbeiten, die er den Mitgliedstaaten zur Annahme empfiehlt. Beschlüsse zur Durchführung von Übereinkommen können mit qualifizierter Mehrheit aus mindestens zehn Staaten angenommen werden. Das EP hat keine direkten Befugnisse.
 

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