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IV. Organe und ausgewählte Einrichtungen der EU
Gründung durch EGKS-Vertrag als beratende »Gemeinsame Versammlung«; konstituierende Sitzung am 10.9.1952 mit 78 aus den nationalen Parlamenten der sechs Gründerstaaten entsandten Abgeordneten; am 10.3.1958 Konstituierung als »Europäische Parlamentarische Versammlung« der Europäischen Gemeinschaften mit 142 Abgeordneten; seit 1962 »Europäisches Parlament«.
Aufgaben und Befugnisse: Die Befugnisse des EP bei der gemeinschaftlichen Gesetzgebung wurden im Laufe der Zeit erweitert und gestärkt. Am Prozess der Annahme von Gemeinschaftsakten ist das EP je nach Angelegenheit durch Stellungnahme, Zusammenarbeit (Anwendungsbereich dieses 1987 eingeführten Verfahrens seit Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam auf vier Beschlüsse in der Wirtschafts- und Währungspolitik beschränkt), Mitentscheidung oder Erteilung seiner Zustimmung (eingeführt 1987) beteiligt. Das durch den EU-Vertrag (1993) eingeführte und z.T. mit Einstimmigkeit im Rat verbundene Mitentscheidungsverfahren, das durch den Vertrag von Amsterdam (1999) vereinfacht und dessen Anwendungsbereich erheblich ausgeweitet wurde, stellt EP und Rat bei der Gesetzgebung gleich; derzeit wird es z.B. angewendet bei Regelungen für das Verbot von Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit, bei einem Großteil der den Binnenmarkt betreffenden Beschlüsse, in weiten Bereichen der Verkehrs-, Sozial- und Umweltpolitik, bei Fördermaßnahmen auf den Gebieten Bildung, Kultur und Gesundheit, Maßnahmen zum Verbraucherschutz, Maßnahmen und Leitlinien für die Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN), Durchführungsbeschlüsse betreffend den Europäischen Sozialfonds und den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, Rahmenprogramme für Forschung und technologische Entwicklung sowie bei der Entwicklungszusammenarbeit. Die Zustimmung des EP (absolute Mehrheit der Mitglieder) muss der Rat einholen v.a. bei der Feststellung einer schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch einen Mitgliedstaat, bei wichtigen internationalen Abkommen wie Beitritts- oder Assoziierungsabkommen sowie bei Beschlüssen zu den Aufgaben der Struktur- und des Kohäsionsfonds sowie den Zuständigkeiten der Europäischen Zentralbank (EZB).
Das EP ist zusammen mit dem Rat Haushaltsbehörde; es stellt den EU-Haushaltsplan endgültig fest, überwacht die zweckmäßige Verwendung der Mittel und erteilt der Kommission die Entlastung für die Ausführung des Haushaltsplans. Am 4.5.1999 verweigerte das EP endgültig die Entlastung für den Haushalt 1996. Von seinem Recht, den Haushaltsentwurf global abzulehnen, machte das EP bei den Haushaltsverfahren für 1980 und 1985 Gebrauch.
Die demokratische Kontrolle durch das EP wurde schrittweise ausgeweitet und umfasst nun alle Gemeinschaftstätigkeiten. Das EP muss der Nominierung des Kommissionspräsidenten und der Ernennung der Kommission als Kollegialorgan zustimmen. Sein Recht, die Kommission als Kollegium durch ein Misstrauensvotum zum Rücktritt zu zwingen (mit der Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Mehrheit der EP-Abgeordneten), hat das EP bisher nicht genutzt. In den Bereichen GASP sowie Justiz und Inneres hat das EP kaum Befugnisse. Das EP ernennt den von Weisungen unabhängigen Europäischen Bürgerbeauftragten (*1993), seit 1995 Jacob Söderman (FIN), am 27.10.1999 vom EP mit 269 gegen 256 Stimmen bei 32 Enthaltungen für eine weitere fünfjährige Amtszeit bestätigt, mit Sitz: 1 avenue du Président Robert Schuman, F-67001 Straßburg Cedex, Tel. (00 33) 3-88 17 40 01, Fax -88 17 90 62.
Abgeordnete: Alle fünf Jahre Direktwahlen (erstmals 1979), zuletzt 1999. Das EP besteht seit der EU-Erweiterung 1995 aus 626 Abgeordneten. In der 5. Wahlperiode (1999–2004) umfasst das EP acht Fraktionen mit Parlamentariern aus über 100 nationalen Parteien und einige fraktionslose Mitglieder. – Die Anzahl der EP-Abgeordneten darf auch nach der geplanten EU-Erweiterung 700 nicht überschreiten.
Präsidium: Das EP wählt aus seiner Mitte einen Präsidenten: Nicole Fontaine (F), 14 Vizepräsidenten und fünf Quästoren für eine Amtszeit von jeweils zweieinhalb Jahren. Generalsekretär: Julian Priestley (UK).
Ständige Ausschüsse (17): Auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte, gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik; Haushalt; Haushaltskontrolle; Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und Inneres; Wirtschaft und Währung; Recht und Binnenmarkt; Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie; Beschäftigung und soziale Angelegenheiten; Umwelt, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik; Landwirtschaft und ländliche Entwicklung; Fischerei; Regionalpolitik, Verkehr und Fremdenverkehr; Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport; Entwicklung und Zusammenarbeit; konstitutionelle Fragen; Rechte der Frau und Chancengleichheit; Petitionsausschuss (dieser untersuchte im Sitzungsjahr 1998 / 99 rund 450 Petitionen, v.a. aus den Bereichen Sozialversicherung, Umwelt, Steuern, freier Personenverkehr und Anerkennung von Hochschulabschlüssen). Daneben Unterausschüsse und nichtständige (Untersuchungs-) Ausschüsse; am 5.7.2000 wurde ein nichtständiger Untersuchungsausschuss zum elektronischen US-Abhörsystem »Echelon« eingesetzt.
Personal (31.12.1999): 3491 Dauerplanstellen und 611 Zeitstellen.
Gründung: Die Staats- bzw. Regierungschefs der Mitgliedstaaten beschlossen während ihres Treffens als »Europäischer Gipfel« am 9. / 10.12.1974 in Paris, künftig dreimal im Jahr zusammenzutreten (erstmals 10./11.3.1975 in Dublin; vorher unregelmäßige Treffen). Durch die EEA (1987) wurde der ER zu einer vertraglichen Gemeinschaftsinstitution und dem Rat faktisch übergeordnet (Weisungsbefugnis). Der ER, dem auch der Kommissionspräsident angehört, tagt mindestens zweimal jährlich unter dem Vorsitz des Staats- oder Regierungschefs des Mitgliedstaats, der im Rat den Vorsitz führt.
Ziele
Aufgabe: Der ER gibt Impulse für die Entwicklung der Union und legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen in allen EU-Tätigkeitsbereichen fest; er befasst sich auch mit strittigen Fragen, die auf Ministerebene ungeklärt blieben.
Rat der Europäischen Union auch: EU-Ministerrat
Gründung: Mit Inkrafttreten des sog. Fusionsvertrags am 1.7.1967 trat der Rat der Europäischen Gemeinschaften an die Stelle des Besonderen Ministerrats der EGKS, des Rats der EWG und des Rats der Euratom; seit Inkrafttreten des EU-Vertrags (1993) Rat der EU.
Ziele
Aufgaben: Der Rat besitzt Entscheidungs- und Rechtsetzungsbefugnis. Zugleich ist er das Organ, in dem die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten ihre Interessen geltend machen können. Der Rat sorgt für die Abstimmung der Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten, ist für die Regierungszusammenarbeit im zweiten und dritten Pfeiler der EU zuständig und trägt für ein einheitliches, kohärentes und wirksames Vorgehen der Union Sorge.
Beschlussfassung: Der Rat beschließt je nach Angelegenheit mit der einfachen Mehrheit seiner Mitglieder, mit qualifizierter Mehrheit oder einstimmig. Qualifizierte Mehrheitsentscheidungen erfordern 62 von 87 verfügbaren Stimmen (Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien je zehn Stimmen, Spanien acht, Belgien, Griechenland, Niederlande und Portugal je fünf, Österreich und Schweden je vier, Dänemark, Finnland und Irland je drei, Luxemburg zwei); bei Beschlüssen, die nicht auf Vorschlag der Kommission zu fassen sind, müssen die 62 Stimmen zusätzlich von mindestens zehn Mitgliedstaaten abgegeben werden; 26 Stimmen bilden die Sperrminorität. Bei Beschlüssen im Rahmen des ersten Pfeilers der EU steht am Anfang der Entscheidung ein Vorschlag der Kommission (alleiniges Initiativrecht, ausgenommen Fragen des freien Personenverkehrs), den der Rat meist unter Beteiligung des EP verabschieden, ablehnen oder einstimmig abändern kann. Der Rat beschließt nunmehr überwiegend mit qualifizierter Mehrheit. Einstimmigkeit ist erforderlich u.a. bei der Feststellung einer schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch einen Mitgliedstaat sowie bei Beschlüssen zur Bekämpfung jeglicher Diskriminierung, Unionsbürgerschaft, freiem Personenverkehr, staatlichen Beihilfen, Steuerrecht, Kultur, Industrie, wirtschaftlichem und sozialem Zusammenhalt, Assoziierungsabkommen und wichtigen Entwicklungsabkommen. – Für die Regierungszusammenarbeit in den Bereichen GASP sowie Justiz und Inneres gilt der Einstimmigkeitsgrundsatz; Initiativrecht haben Kommission und Mitgliedstaaten.
Organe
Zusammensetzung: Der Rat besteht aus je einem Vertreter jedes Mitgliedstaats auf Ministerebene, in der Regel aus den für die zu beratende Frage zuständigen Ministern. Derzeit finden Ratssitzungen zu über 25 verschiedenen Sachgebieten statt, u.a. Rat »Allgemeine Angelegenheiten« (Außenminister), ECOFIN (Wirtschafts- und Finanzminister) und Landwirtschaft; 1999: 82 Sitzungen. Den Vorsitz im Rat führen die Mitgliedstaaten in einer vom Rat einstimmig beschlossenen Reihenfolge nacheinander für je sechs Monate: Finnland (2. Halbjahr 1999), Portugal (1. Halbjahr 2000), Frankreich (2. Halbjahr 2000), Schweden (1. Halbjahr 2001), Belgien (2. Halbjahr 2001), Spanien (1. Halbjahr 2002).
Der Rat wird unterstützt von einem Generalsekretariat, das einem vom Rat einstimmig ernannten Generalsekretär und Hohen Vertreter für die GASP: Javier Solana Madariaga (E), seit 18.10.1999, Amtszeit fünf Jahre, untersteht; für die organisatorische Leitung ist ein stellv. Generalsekretär: Pierre de Boissieu (F) zuständig. Jeder Mitgliedstaat unterhält in Brüssel eine Ständige Vertretung bei der EU; der Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV; i.d.R. Diplomaten im Botschafterrang) tritt wöchentlich zur Vorbereitung der Ratstagungen zusammen. Beratende Gremien u.a. Sonderausschuss Landwirtschaft, Ausschuss für Beschäftigung und Arbeitsmarkt (*1996) sowie der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister der an der Europäischen Währungsunion teilnehmenden elf EU-Staaten (Euro-11-Rat) zur Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik der Mitgliedstaaten.
Personal (31.12.1999): 2488 Dauerplanstellen und 34 Zeitstellen.
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