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  Denken, Lernen, Selbstlernen

aus: Schüler-Duden, "Die Psychologie", Dudenverlag, Mannheim, 1996, S. (125 - 128)

I N H A L T
  Gedächtnis        Gedächtnisstörungen  
Ultrakurzzeitgedächtnis Erinnerungstäuschung
Kurzzeitgedächtnis Gedächtnisstrategien
Langzeitgedächtnis Gedächtnistyp
Assoziationsgedächtnis Gehirn
emotionale Faktoren Geschichte
Gedächtnisentwicklung Aufbau des Gehirns
Gedächtnishemmungen  
 

Gedächtnis: Unter G. wird die Fähigkeit verstanden, Informationen abrufbar zu speichern (Informationsspeicherung) Die Speicherung von Wahrnehmungen, Erfahrungen und Lern- bzw. Wissensinhalten wird als Merkfähigkeit oder Einprägungsvermögen, deren Abrufen als Erinnern bezeichnet. Die Grundlage des G.ses sind die Nervenzellen im Gehirn.

Nach weitverbreiteter, nicht unumstrittener Auffassung sind beim menschlichen G. drei Einheiten zu unterscheiden: das oft auch als Ultrakurzzeitgedächtnis bezeichnete sensorische Register (SR), das Kurzzeitgedächtnis (KZG) und das Langzeitgedächtnis (LZG).

Das SR speichert von außen kommende Informationen nur ganz kurze Zeit; so wurde z.B. für das optische SR eine Halbwertszeit von ca. 0,5 Sekunden errechnet. Weniger eindeutig sind die Forschungen zum KZG, jener G.komponente, auf der das unmittelbare Behalten beruht und die, im Unterschied etwa zum SR, nur eine begrenzte Kapazität von ungefähr sieben Einheiten hat. Dies bedeutet, dass bei kurzzeitiger Darbietung vieler verschiedener Informationen nur etwa sieben Einheiten gemerkt werden können, es sei denn, die dargebotenen bzw. erhaltenen Informationen (z.B. Zahlen, Gebrauchsgegenstände) können zu Klassen oder Gestalten zusammengefasst werden (Chunking). Die Inhalte des KZG gehen sehr schnell nach etwa 20 Sekunden verloren, wenn sie nicht ständig wiederholt und so im Bewusstsein gehalten werden.

Das LZG, die zentrale und zugleich umfangreichste G.komponente, ist die Gesamtmenge der überdauernden, aber nicht unbedingt abrufbaren Informationen. Die Inhalte des LZG bilden jedoch keine bloße Anhäufung von Informationen, vielmehr muß man sich das LZG als ein Netzwerk denken, in dem die Inhalte nach bestimmten Regeln miteinander verknüpft sind (Assoziationsgedächtnis).

Während noch bis in die 1970er Jahre die Annahme vertreten wurde, das G. stelle eine Ganzheit dar und lasse sich einer einzelnen Struktur oder einem einzelnen Ort im Gehirn zuordnen, gehen heute v.a. Neurobiologen zunehmend davon aus, dass das G. aus zahlreichen Teilkomponenten besteht, die sich um ein komplexes Nervennetz herum aufbauen. So wird u. a. das LZG als Assoziationsgedächtnis begriffen, das Fakten und Vorstellungen aufnimmt und in einem Langzeitspeicher festhält. Ein weiterer, von Neurobiologen wie P. S. GOLDMAN-RAKIC postulierter und an Menschenaffen experimentell untersuchter Teil des G.ses ist das Arbeitsgedächtnis, das - dem Assoziationsgedächtnis wie dem Gehirn zuarbeitend - symbolische Inhalte rasch speichern oder bereitstellen soll (Beispiel: Kopfrechnen mit kurzzeitigem Behalten von Zwischensummen während der Bildung neuer Zwischensummen). Die Aktivitäten des Arbeitsgedächtnisses sind, U.a. aufgrund der Auswirkungen, die Verletzungen und Erkrankungen in diesem Gewebe bei Patienten auf die Bewältigung alltäglicher Situationen haben, in dem vorderen Stirnlappen der Großhirnrinde lokalisierbar.

Des weiteren untersuchen heute Neurowissenschaftlern und Biochemikern wie chemische Signalsysteme, insbes. spezielle Botenstoffe (Neurotransmitter), nicht nur G., sondern auch bestimmte andere Hirnprozesse steuern. Nach ersten Ergebnissen könnten Störungen des Arbeitsgedächtnisses, eventuell im Verbund mit Beeinträchtigungen des Neurotransmitters Dopamin, bei der Entstehung der Schizophrenie beteiligt sein.

Ohne G. ist Lernen nicht möglich. Besonders bekannt geworden ist in diesem Zusammenhang die von H. EBBINGHAUS ermittelte Vergessenskurve.

Nach gegenwärtigem Kenntnisstand beeinflussen folgende Faktoren das Behalten: jeder gelernte Inhalt benötigt eine Konsolidierungsphase von ungefähr 10 bis 30 Minuten, um im LZG inventarisiert zu werden. Weiter gilt, dass ein Lerngegenstand um so besser behalten wird, je öfter er während des Lernens wiederholt wird. Verteiltes Lernen, also die Wiederholung des Lernprozesses nach eingeschobenen Abschnitten mit anderen Aktivitäten, ist effektiver als massiertes Lernen. Die Art der zwischenzeitlich ausgeübten Aktivitäten kann allerdings das Ausmaß des Behaltens stark beeinflussen.

Ferner spielen für das Behalten emotionale Faktoren eine außerordentlich wichtige Rolle: Emotional positive Inhalte werden meist länger behalten als emotional negative, die wiederum länger behalten werden als emotional neutrale (Peters-Prinzip). Außerdem bleiben unerledigte Aufgaben oft wesentlich länger im G. als erledigte (Zeigarnik-Effekt).


Gedächtnisentwicklung: Die neuere Gedächtnisforschung geht davon aus, dass die Gedächtniskapazität des Kurzzeitspeichers und des Langzeitspeichers (Gedächtnis) zeitlebens gleich bleibt. Dagegen sind die Verfügbarkeit und Verbesserung von Gedächtnisstrategien im Laufe der menschlichen Entwicklung einem beträchtlichen Wandel unterworfen: Mit Hilfe dieser Strategien werden auf dem Weg über den Kurzzeitspeicher Gedächtnisinhalte im Langzeitspeicher festgehalten. Ebenfalls mit Hilfe solcher Strategien werden sie wiedergefunden und von dort abgerufen. In unserem Kulturkreis beeinflusst vor allem die Schule den Aufbau und die Verfügbarkeit von Gedächtnisstrategien.

Schon im Vorschulalter sind Kinder in der Lage, sich zu merken, wann, wo und wie Strategien aufgabenspezifisch angewandt werden können (z.B. wissen jüngere Kinder durchaus, dass sie sich eine Telefonnummer durch mehrfaches Wiederholen wesentlich besser einprägen können). Ein solches Metagedächtnis repräsentiert das Wissen über Gedächtnisprozesse und deren bewusst-willkürliche Kontrolle. Ungeachtet der schon im Vorschulalter vorhandenen Kompetenzen, verbessern sich während der Schulzeit die dem Metagedächtnis zugeordneten Fähigkeiten.


Gedächtnishemmungen: Im Unterschied zu den meist organisch bedingten Gedächtnisstörungen beruhen G. in der Regel auf Interferenzerscheinungen zwischen zwei aufeinanderfolgenden Lern-Prozessen.

Der österreichische Psychologe H. ROHRACHER unterscheidet folgende Formen der G.: 

proaktive Hemmung, wenn ein vorausgegangener Lernakt das Einprägen eines unmittelbar nachfolgenden Lernstoffs beeinträchtigt;

retroaktive Hemmung, wenn ein nachfolgender Lernprozess das Behalten unmittelbar vorausgegangener Lerneindrücke beeinträchtigt; 

Ähnlichkeitshemmung, wenn die Lernstoffe zweier aufeinanderfolgender Lernprozesse inhaltlich ähnlich sind; 

assoziative oder reproduktive Hemmung, wenn ein Gedächtnisinhalt, der bereits mit einem anderen assoziiert ist, mit einem neuen verbunden werden soll; 

ekphorische Hemmung, wenn die Reproduktion eines alten Lernstoffs durch einen der Reproduktion vorausgehenden neuen Lernprozess beeinträchtigt wird; 

affektive Hemmung wenn die Reproduktion neuer Lerninhalte durch eine zwischen Einprägung und Reproduktion vorkommende starke affektive Erregung beeinträchtigt wird.

Gedächtnisstörungen (mnestische Störungen, Dysmnesie): vorübergehende oder anhaltende Veränderungen oder Beeinträchtigungen der Erinnerungs- oder Merkfähigkeit. G. können im Rahmen einer organisch oder psychisch bedingten Erkrankung auftreten.

Am häufigsten ist die völlige oder teilweise (auch partielle) Erinnerungslücke (Amnesie), z.B. nach einer schweren Gehirnerschütterung. Zu einer Steigerung der Gedächtnisleistung (Hypermnesie) kann es u.a. bei hypnotischen Zuständen kommen. In den meisten Fällen psychogen bedingt ist die mangelhafte Erinnerung an Vorgänge, die unter starker Gefühlserregung bei Bewusstseinseinschränkung erlebt werden (Hypomnesie). Hochgradige Störungen der Merkfähigkeit (Gedächtnisschwäche) treten u. a. bei Verkalkung der Hirnarterien bei der Demenz sowie der progressiven Paralyse auf; außerdem gelten sie als Hauptsymptom des Korsakow-Syndroms sowie des hirnorganischen Psychosyndroms (Psychosen), für die zusätzliche Konfabulationen (Ausfüllen von Erinnerungslücken mit erstbesten Einfällen) typisch sind.

Eine Erinnerungstäuschung (Paramnesie, Allomnesie) kann auch bei Gesunden auftreten; als abnorme Neigung zur Erinnerungsfälschung findet sie sich jedoch vorwiegend bei Gewohnheitslügnern (Pseudologie), als Halluzination im Rahmen einer Schizophrenie sowie als Deja-vu-Erlebnis bei bestimmten Anfallsleiden.


Gedächtnisstrategien: Experimentelle Untersuchungen deuten darauf hin, dass bestimmte Strategien des Einprägens und Abrufens die Wirksamkeit von Gedächtnisleistungen günstig beeinflussen können. Hier ist zunächst das Wiederholen (lautes oder leises Wiederholen der Elemente, die man sich einprägen will) zu nennen. Diese Strategie ist dann besonders hilfreich, wenn es sich um wenige einzuprägende Gedächtniseinheiten handelt. Eine weitere wichtige Methode besteht in der Umgruppierung des zu lernenden Materials nach logischen oder anderen Prinzipien der Zusammengehörigkeit. Als besonders vorteilhaft gilt eine hierarchische Gliederung, wenn es sich um sehr viele einzuprägende Elemente handelt. Mit diesem Aspekt verwandt ist die Nutzung schon bekannter Ordnungsprinzipien beim Einprägen der zu speichernden Materialien.

Für das Behalten von Texten und für das Merken erzählter Informationen gilt das Herausfiltern und Speichern der Hauptidee als besonders effizient. In all den genannten Fällen kann auch die Um- und Weiterverarbeitung der Informationen das Einprägen unterstützen. Das Chunking (die Bildung von Superzeichen) ist eine weitere Hilfe.

Gedächtnistyp. Mensch mit der speziellen Begabung, über ein bestimmtes Sinnesorgan aufgenommene Information neu bes. gut zu behalten. Unterschieden wird v.a. zwischen einem optischen Typ (Typ des Visuellen), der gut das Gesehene behält, einem akustischen Typ (Typ des Auditiven), der sich mehr das Gehörte merkt, und einem kinästhetischen Typ (Typ des Motorikers), der sich besser an Bewegungserlebnisse erinnern kann. Daneben gibt es besondere Veranlagungen für das Behalten von Namen, Zahlen, logischen Zusammenhängen oder bestimmten Gedächtnisinhalten.
Siehe dazu: F. Vester, "Denken, Lernen, Vergessen"

zum Aufbau des Gehirns: S. 129-131

Gehirn (Cerebrum, Encephalon): Das G. des Menschen, Zentralorgan der geistigen Funktionen wie Speichern (Gedächtnis) und Verarbeiten (Denken) von Informationen, wurde phylogenetisch durch stetige Massenzunahme und fortschreitende Differenzierung besonders des kortikalen Vorderhirnbereichs (auch Zerebrafisation) zum entscheidenden Faktor der Kulturentwicklung.
Geschichte:
Erstmals schriftlich erwähnt wird das G. im ägyptischen Papyrus EDVIN SMITH. Von Zusammenhängen zwischen G. und seelischen bzw. geistigen Vorgängen ist darin überhaupt nicht die Rede. Aus der Tatsache, dass bei Mumifizierungen die G.e weitgehend entfernt wurden, darf man schließen, dass im alten Ägypten die Bedeutung des G.s unbekannt war.

Der Grieche ALKMÄON VON KROTON erkannte bereits um 500 v. Chr. bei Tiersektionen, dass von den Sinnesorganen Nervenbahnen zum G. ziehen. Er nahm daraufhin an, dass im G. das Zentrum für die Sinneswahrnehmung und auch für das Denken liege. Allerdings hielt er das G. für eine Drüse, die Gedanken absondere wie eine Tränendrüse Tränen. Für HIPPOKRATES, der keine derartigen Untersuchungen vornahm, war das G. eine Art Dolmetscher des Bewusstseins und für alle Gefühle verantwortlich. Als Sitz der "rationalen Seele" sah PLATON nur den gesamten Kopf des Menschen an. Dagegen fasste ARISTOTELES, der - wie die alten Ägypter - Seelisches allein auf das Herz beschränkt wissen wollte, das G. als eine Art Kühlvorrichtung gegen körperliche Überhitzung auf. Anatomisch untersucht und beschrieben wurden G. und Nerven erstmals genauer von HEROPHILOS (Groß- und Kleinhirn, Hirnhäute und -höhlen) und ERASISTRATOS; letzterer unterschied schon zwischen Empfindungs- und Bewegungsnerven und folgerte beim Vergleich von Tier- und Menschenhirnen, dass der Mensch nur deswegen alle Tiere an Intelligenz übertreffe, weil sein G. reicher an Windungen sei.

Erste experimentelle Untersuchungen des G.s stellte der römische Arzt GALEN an. Er entfernte bei verschiedenen Tieren systematisch bestimmte G.teile, durchschnitt Rückenmark und Nerven und registrierte die darauf eintretenden Lähmungen. Die Nerven hielt GALF N allerdings für ein Röhrensystern, in welches das G. den »Seelengeist« (»pneuma psychikon« oder »spiritus animalis«) aus den Hirnhöhlen pumpe wie das Herz das Blut in die Adern. Diese Ansicht blieb über Jahrhunderte vorherrschend. Der flämische Arzt A. VESAL bezweifelte nur die Bedeutung der Hirnhöhlen und nahm aufgrund eigener Untersuchungen an, dass der »Seelengeist« in der Hirnrinde entstehe.

Erst der schweizerische Universalgelehrte A. VON HALLER entdeckte die Irritabilität (Erregbarkeit) und Sensibilität der Nervenfasern und widerlegte damit die Lehre vom fließenden »Seelengeist«. F. J. GALL, der HALLERS Untersuchungen weiterführte, konnte schließlich zeigen, dass Nerven und Empfindungen zur »grauen Masse« an der G.oberfläche führen. Durch seine extreme Ansicht, bestimmte Teile des G.s würden jeweils bestimmte Teile des Gesamtorganismus kontrollieren, andere wiederum nähmen nur bestimmte Empfindungen auf und wieder andere wären für bestimmte Charaktereigenschaften zuständig (ähnliche Gedanken äußerten schon ALBERTUS MAGNUS und HALLER selbst), wurde GALL zum Begründer der Lokalisationslehre und der Phrenologie. Dass es im G. tatsächlich spezialisierte Teile gibt, wurde 1861 von P. BROCA mit der Entdeckung des Sprachzentrums bewiesen. Etwa ein Jahrzelint später stellten G. FRITSCH und E. HITZIG fest, dass die rechte bzw. linke G.seite die jeweils gegenüberliegende Körperhälfte kontrolliert.

Die eigentliche G.forschung begann aber erst 1837, als der tschechische Physiologe J. E. VON PURKINJE feine G.schnitte mikroskopisch untersuchte und entdeckte, dass »Nervenkugeln«, die er als Ganglienkörper bezeichnete, Keime besitzen und Fortsätze tragen. Zwei Jahre später erkannte der deutsche Anatom und Physiologe T. SCHWANN, dass diese »Kugeln« Nervenzellen sind. 1891 stellte der Anatom W. VON WALDEVER-HARTZ die Neuronentheorie auf, die in unserem Jahrhundert dann durch experimentelle neurobiologische Forschungsergebnisse bestätigt wurde. Nach dieser Theorie besteht das gesamte Nervensystem aus Neuronen (Nervenzellen), die als funktionelle Grundeinheiten alleinige Träger nervaler Erregungen sind und sich über Synapsen in gegenseitigem Kontakt befinden.

Neuronen sind hochgradig erregbar und insofern darauf spezialisiert, Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten. je komplizierter Organismen aufgebaut sind, desto wichtiger ist es für sie, die (über ihre Sinnesorgane vermittelten) Informationen zentral auszuwerten und ebenfalls zentral ihre Körpertätigkeiten zu steuern. Hierzu wurden im Lauf der stammesgeschichtlichen Entwicklung am vorderen Ende der Körper, dort also, wo auch die Sinnesorgane (speziell die für die Informationsaufnahme durch Sehen, Hören oder Riechen so wichtigen Fernsinne) konzentriert sind, Nervenzellen angehäuft. Sie bilden bei den Wirbeltieren jeweils das von der Schädelkapsel umgebene Gehirn.

Aufbau des Gehirns:
Das G. des Menschen gliedert sich im wesentlichen in das entwicklungsgeschichtlich ältere Stammhirn, das jüngere Großhirn und das Kleinhirn. Das Stammhirn (Hirnstamm) besteht aus dem Zwischenhirn, dem Mittelhirn und dem verlängerten Mark. Teile des Zwischenhirns sind der Thalamus und der Hypothalamus; an der Unterseite des Zwischenhirns liegt die Hypophyse, an der Oberseite die Zirbeldrüse (Epiphyse). Durch das Mittelhirn laufen viele auf- und absteigende Nervenbahnen, im verlängerten Mark befinden sich Zentren zur Steuerung und Regulation wichtiger Stoffwechselvorgänge und Reflexe. Dem Stammhirn entspringen auch die zwölf Gehirnnerven. Das Kleinhirn ist das zentrale Organ für die Bewegungskoordination, für die Erhaltung des Muskeltonus (Grundspannung eines nicht willkürlich innervierten Muskels) sowie des körperlichen Gleichgewichts.

Der für Säugetiere und insbes. den Menschen funktionell wichtigste Teil des G ' ist das aus zwei stark gefurchten Halbkugeln (Hemisphären) bestehende Großhirn. Bei höheren Säugetieren und dem Menschen überdecken die Großhirnhemisphären durch ihre gewaltige Ausdehnung völlig die darunter liegenden Gehirnabschnitte bis zum Kleinhirn. Das Großhirn ist das oberste Zentrum für die Verarbeitung von Informationen und den Entwurf motorischer Programme. Außerdem sind in ihm Gedächtnis und Assoziationsleistungen, Bewusstsein und Intellekt lokalisiert.

Die Auffassung, dass jede spezielle Gehirnleistung in einem genau umschriebenen Zentrum angesiedelt sei, hat sich als nicht haltbar erwiesen. Häufig werden Funktionen nach Ausfall bestimmter Hirnregionen von anderen Gebieten übernommen. Darüber hinaus sind an hohen intellektuellen Leistungen vermutlich viele Assoziationsfelder beteiligt; entsprechend können Verletzungen (Läsionen) in den verschiedensten Regionen des G.s zu gleichförmigen Beeinträchtigungen dieser Leistungen führen. Die beiden Hemisphären sind nicht gleichwertig, sondern üben unterschiedliche Funktionen aus (Hemisphärenspezialisierung); dabei dominiert meist eine Hirnhälfte (Hemisphärendominanz), z.B. bei Rechtshändern die linke.

Die Großhirnrinde (graue Substanz, Kortex, Cortex cerebri) enthält etwa 14 Mrd. Nervenzellen, von denen jede einzelne mit 1000 bis 10 000 anderen über Synapsen in Verbindung treten kann. Die dazu notwendige gewaltige Menge an Verbindungsleitungen (Schaltbahnen) findet sich im Großhirnmark (weiße Substanz). Kommissurenbahnen laufen durch den sog. Balken und verbinden gleichartige Teile der Großhirnhälften miteinander. Assoziationsbahnen verlaufen zwischen verschiedenen Hirnbereichen einer oder beider Hirnhälften, Projektionsbahnen laufen vom Großhirn zu anderen Bereichen des Zentralnervensystems.

 

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