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Dr. med. Claudia Sies |
Doktors Kolumne |
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Deine Sorgen - meine Sorgen? Nicht lang genug Zu wenig macht wütend |
Von Dr. med. Claudia Sies
„Warum kann ich nicht glücklich sein, Frau Doktor, ich habe doch alles, was ich mir wünsche“,
sagt ein 40-jähriger Mann in der Vorweihnachtszeit.
Er fliegt mit seiner Frau um die Welt und wartet darauf, dass sich das Glück einstellt.
Um so größer war seine Enttäuschung,
als er selbst im weihnachtlich geschmückten New York kein Glück empfinden konnte.
Besonders die Weihnachtszeit, die Nagelprobe für Glücksfähigkeit, macht ihm immer schon zu schaffen.
Er setzt sich unter Stress, um seine Frau und die Kinder glücklich zu machen und hat doch das Gefühl,
es ist nie genug. Er selbst reagiert sehr empfindlich auf Geschenke, die nicht ganz seinen Wünschen entsprechen.
Richtig unglücklich kann er dann werden.
Was dieser Mann noch lernen muss, ist,
dass es beim Empfinden von Glück nicht auf die äußeren Umstände ankommt,
weil das Glücksgefühl nicht aus einer außerhalb von uns liegenden Quelle kommt.
Glücklich sein ist eine innere Einstellung.
Nicht das, was einem angeboten wird - vom Schicksal oder von anderen Menschen -, macht unser Glück aus,
nicht, ob man reich, gesund, schön und geliebt ist und tolle Geschenke bekommt.
Glück ist eine innere Antwort, die dazu befähigt,
sich immer in Einklang zu bringen mit dem, was uns real begegnet.
Ein arbeitsloser Familienvater könnte hier verständlicherweise protestieren:
"Wie soll ich das einfach akzeptieren, ohne mit meinem Schicksal zu hadern!
Weihnachten steht vor der Tür, und ich bin ohne Arbeit und Geld."
Aber wer mit dem realen Schicksal hadert, verliert seine Kraft mit Klagen über das Problem,
anstatt diese Kraft in seine Lösung zu investieren.
Wer bedrückt und gebeugt zu Boden schaut, kann seine Augen nicht nach vorn richten und klären:
Was kann ich ändern und womit muss ich zurecht kommen?
So teilen sich gerade in der Weihnachtszeit die Menschen in die Glücklichen und die Unglücklichen auf.
Das Geheimnis glücklicher Menschen ist ihre Fähigkeit, mit dem zurecht zu kommen,
was im Augenblick nicht zu verändern ist, und anzugehen, was zu verändern ist.
Am unglücklichsten sind diejenigen, die eine ganz genaue Vorstellung davon haben,
wie die Festtage verlaufen müssten, um sie glücklich zu machen.
Für Unglückliche gibt es gerade jetzt viele Gründe zum Unglücklichsein:
Da passen die selbstgestrickten Socken dem Vater nicht; die Gans ist zu schwarz, oder die Oma krank geworden.
Die Glücklichen werden glücklicher, die Unglücklichen werden unglücklicher.
Jeder verwendet die vielen Angebote der Weihnachtszeit auf seine Weise.
Weihnachten ist daher nur ein Auslöser für alles, was man vorher als Erlebnisweise in sich trägt.
Doktors Kolumne, Rheinische Post, 14.12.2000
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