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Unspezifisches und spezifisches Immunsystem
Das Immunsystem ist kein Organ, sondern eine Organisation. Die Abwehrzellen arbeiten auf raffinierte Weise zusammen
Das Immunsystem ist überall, ist ständig in Bewegung, lernt andauernd dazu und weiß sogar, ob wir uns gut fühlen oder niedergeschlagen sind. Das Netzwerk der Verteidigung besteht aus zwei Abteilungen, der unspezifischen und spezifischen Abwehr. Die unspezifische Abwehr stellt mit Makrophagen und neutrophilen Granulozyten die erste Verteidigungslinie. Diese Fresszellen verleiben sich alles ein, was dem Organismus schaden könnte. Zusätzlich informieren und aktivieren sie andere Abwehrzellen. Unterstützt werden die Zellen des unspezifischen Immunsystems vom Komplementsystem, rund zwanzig verschiedenen Eiweißverbindungen, die fremde Zellen zerstören können, indem sie deren äußere Hülle durchlöchern.
Gelingt es der ersten Verteidigungslinie nicht, die Eindringlinge zu vernichten, greift das spezifische Immunsystem ein. Es besteht in erster Linie aus B-Lymphozyten und T-Lymphozyten. Die sind in der Lage, fast jede Fremdsubstanz (Antigen) zu erkennen, die in den Organismus eindringt. Jeder einzelne Lymphozyt erkennt dabei nur den Stoff, auf den er spezialisiert ist. Hat zum Beispiel ein B-Lymphozyt "sein" Antigen ausgemacht, produziert er Antikörper, die sich an das Antigen anheften. Die Antikörper passen nur zu diesem einen bestimmten Antigen, so wie ein Schlüssel nur in ein ganz bestimmtes Schloss passt. Nach dem Kontakt mit seinem Antigen teilt sich der Lymphozyt und vermehrt sich. Nun gibt es eine ganze Armee von seiner Sorte, die alle genau auf den einen Fremdstoff reagieren. Sind die Antigene von den Antikörpern gefesselt, erkennen das wiederum die Fresszellen und machen sie unschädlich.
Ein Teil der Lymphozyten entwickelt sich zu Gedächtniszellen, die sich an ihren speziellen Feind erinnern. Selbst wenn dieser erst nach Jahrzehnten wieder im Organismus auftaucht, werden sie sofort aktiv. Die Gedächtniszellen sind es, die uns gegen einen Krankheitserreger immun machen.
Eine dritte wichtige Gruppe von Abwehrzellen sind die natürlichen Killerzellen.
Sie greifen nicht spezielle Antigene an, sind aber vor allem aktiv gegen Krebszellen.
Allerdings weiß man über die genaue Arbeitsweise dieser Zellen noch wenig.
Vorsicht, Ansteckungsgefahr
Ohne die körpereigene Abwehr könnten wir nur in steriler Umgebung überleben. In Herbst und Winter muss das Immunsystem besonders gut sein, um Krankheitserreger unschädlich zu machen
Gemessen an der Größe seiner Aufgabe macht das Immunsystem nicht sehr viel her. Könnte man die in Hunderte von Milliarden zählenden Abwehrzellen alle an einem Ort zusammenballen, dann käme nichts Größeres heraus als eine Pampelmuse. Doch darauf kommt es hier auch gar nicht an, entscheidend ist die perfekte Organisation, in der jede Zelle ihre ganz spezielle Aufgabe übernimmt. Mit Hilfe von Botenstoffen halten sie sich gegenseitig auf dem laufenden, und sie stehen in regem Austausch mit Nerven- und Hormonsystem. Und sie haben nur ein Ziel: Eindringlinge aufspüren und unschädlich machen.
Täglich attackieren uns Millionen von Mikroorganismen. Nicht alle davon schaden uns, und ein Teil derer, die uns krank machen könnten, scheitert schon an den ersten Barrieren: Haut und Schleimhäuten. Gelingt es ihnen, weiter vorzudringen, stellen sich ihnen unzählige weiße Blutkörperchen und Antikörper entgegen.
Gewöhnlich erkennen unsere Abwehrzellen körperfremdes Material her, unser Körper verfügt über ein hochkarätiges Verteidigungssystem. Und doch ist der Durchschnittsbürger zwei- bis dreimal pro Jahr erkältet. Seine Nase läuft, es kratzt im Hals, und wenn es ganz übel kommt, setzt sich eine Entzündung in den Stirn- oder Kieferhöhlen fest.
Wer sind die Angreifer, was hilft ihnen, wie gelingt es simplen Schnupfenviren, sich durchzusetzen?
Was macht sie so stark und uns so schwach? Das zu wissen lohnt sich. Denn wer verstehen lernt,
wie das Immunsystem funktioniert und was die Abwehrkräfte stärkt, der kann sich auch besser wappnen.
Nasskaltes Wetter
Bei Kälte drosselt der Körper die Durchblutung der äußeren Hautbereiche und der Schleimhäute,
um alle Energie auf die Erhaltung der Temperatur im Körperkern zu richten.
Gerade die Schleimhäute von Nase und Rachen sind aber eine wichtige erste Barriere gegen Erkältungsviren.
Je schlechter sie durchblutet sind, desto weniger Abwehrzellen stellen sich den Angreifern entgegen.
Nasskaltes Wetter fordert am meisten:
Die hohe Luftfeuchtigkeit lässt den Organismus kühle Temperaturen noch niedriger empfinden,
als sie eigentlich sind.
Hinzu kommt, dass sich Viren bei hoher Luftfeuchtigkeit besser vermehren.
Trockene Raumluft
Erkältungsviren können sich auf zu trockenen Schleimhäuten leicht ansiedeln und vermehren.
Eine relative Luftfeuchtigkeit unter 40 Prozent öffnet deshalb den Viren Tür und Tor.
Heizen Sie kräftig ein, verstärken Sie den Effekt noch.
Je wärmer der Raum, desto niedriger die Luftfeuchtigkeit,
und desto stärker die Feuchtigkeitsabgabe des Körpers an die Umgebung -
die Schleimhäute von Nase und Mundhöhle trocknen aus.
Stress
schwächt das Immunsystem, sagt man. Das stimmt im Prinzip, aber Stress ist nicht gleich Stress.
Kurzzeitig auf Hochtouren zu laufen schadet dem Körper nicht.
Kritisch wird es erst, wenn sich jemand ständig überfordert fühlt,
wenn Anspannung zum Dauerzustand wird. Von Bedeutung ist auch, wie wir Stresssituationen einschätzen,
meinen Psychoneuroimmunologen. Die Psychoneuro-Immunologie ist ein junger Forschungszweig,
der sich mit dem Zusammenhang zwischen Psyche und Immunsystem beschäftigt.
Schädlich sind nach neuen Erkenntnissen vor allem die Stresssituationen,
denen wir uns machtlos ausgeliefert fühlen, die wir nicht beeinflussen können.
Rauchen und Alkohol
Tabakqualm schwächt die Erregerabwehr gleich mehrfach:
Die Inhaltsstoffe hemmen die Beweglichkeit der Flimmerhärchen in den Atemwegen,
die eingedrungene Partikel und Erreger wieder nach außen transportieren sollen.
Nikotin verengt die Gefäße,
und das im Rauch enthaltene Kohlenmonoxid behindert den Transport von Sauerstoff in die Körperzellen.
Beides zusammen verschlechtert die Versorgung der Abwehrzellen auf den Schleimhäuten.
Sie können ihre Aufgabe - Schutz und Reinigung der Atemwege - schlechter erfüllen.
Winzige Teilchen im Tabakrauch beschäftigen die Fresszellen des Immunsystems,
sodass weniger Kapazität für die Viren und Bakterienabwehr verfügbar ist.
Schließlich entstehen vermehrt freie Radikale im Körper.
Sie zehren insbesondere die Vitamine A, C und E auf, auf die das Immunsystem angewiesen ist.
Wer zu viel Alkohol trinkt, beeinträchtigt dadurch ebenfalls die Abwehrzellen.
Außerdem riskiert er einen Mangel an B-Vitaminen, die ebenfalls wichtig für die Immunzellen sind.
Geballte Virenladungen
Ein paar Erkältungsviren kosten die Abwehrkräfte wenig Mühe, erst in der Masse sind sie stark.
Haben sie allerdings erst mal ein paar Verteidiger überlistet,
steigt ihre Chance auf Vermehrung und Verbreitung rapide an.
Viren machen es den Abwehrkräften besonders schwer.
Wie in einem trojanischen Pferd verstecken sie sich in Körperzellen.
Und Erkältungsviren ändern ständig ihr Aussehen,
sodass die von früheren Angriffen geschulten Abwehrkräfte erst einmal ins Leere laufen.
Gelingt es den Viren, in ihre Wirtszelle in der Schleimhaut zu schlüpfen, beuten sie die Zelle aus.
Unablässig muss sie nun bei der Produktion von neuen Viren helfen.
Jedes Niesen schleudert dann Millionen Viren in die Luft, jeder Händedruck reicht sie weiter.
Im Schnitt ist jeder Deutsche dreimal im Jahr erkältet. Aber: Wer sein Immunsystem gezielt unterstützt, wird weniger krank
Manche erwischt es alle naslang. Andere scheinen selbst gegen die heftigsten Niesattacken im U-BahnGedränge oder von der Kollegin am Schreibtisch gegenüber immun zu sein. Sicher gibt es Menschen, die von Natur aus bessere Abwehrkräfte haben als andere, aber jeder kann etwas tun, um sein Immunsystem zu stärken. Hier unser Rundum-Programm dazu:
Abhärten
Der Wechsel vom warmen Haus in den kalten Regen stellt hohe Anforderungen an den Körper.
Bei Menschen, die nicht an solche Temperaturunterschiede gewöhnt sind, verengen sich die Blutgefäße so stark,
dass die Schleimhäute nicht mehr genügend durchblutet sind. So trainieren Sie Ihre Blutgefäße:
Wechselduschen. Morgens zuerst zwei Minuten warm duschen, dann für zehn bis fünfzehn Sekunden auf kalt stellen. Das Ganze dreimal wiederholen und mit kaltem Wasser aufhören.
Stärkender Guss: Kneippsche Anwendungen verbessern die Anpassungsfähigkeit der Blutgefäße an Temperaturschwankungen.
Sauna. Ein bis zwei Saunabesuche pro Woche bereiten den Organismus auf die wechselnden Temperaturreize in Herbst und Winter vor. Wer nicht zu den Saunaerfahrenen gehört, kann die kalte Dusche nach dem Schwitzen zuerst auf Beine und Arme beschränken, bevor er ganz darunter steigt. Das kalte Tauchbecken ist zwar die größte Reizsteigerung, empfiehlt sich aber nur für Herz-Kreislauf-Gesunde.
Spaziergang im Schmuddelwetter. Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur unpassende Kleidung, sagen die Meteorologen. Gehen Sie auch bei Schmuddelwetter täglich eine halbe Stunde spazieren - gut eingepackt. Wichtig ist vor allem, dass die Füße warm und trocken bleiben. So steigern Sie Ihre Widerstandskraft.
Richtig ernähren
Eine ausgewogene Ernährung enthält Eiweiß, Kohlenhydrate, Fett, Vitamine und Mineralstoffe
- die meisten Deutschen ernähren sich allerdings zu fett.
Stattdessen wichtig: viel Obst und Gemüse, Vollkorn- und Milchprodukte.
Für das Immunsystem entscheidend sind die Vitamine A, C, E, die B-Vitamine sowie die Spurenelemente Zink und Selen.
Vitamin C wirkt mit bei der Bildung von Antikörpern und hilft den T-Lymphozyten, Erreger zu vernichten. Die T-Lymphozyten sind Meister im Aufspüren von Viren, auch solchen, die sich gut im Inneren von Körperzellen verborgen halten. Sie gehören zum spezifischen Immunsystem. Von Vitamin A ist bekannt, dass es unter anderem Makrophagen, die Fresszellen des unspezifischen Immunsystems, stimuliert. Vitamin E schützt Immunzellen, indem es freie Radikale fängt, aggressive Sauerstoffteilchen, die auch Immunzellen attackieren.
Die fürs Immunsystem wichtigen Vitamine und Spurenelemente stecken in folgenden Lebensmitteln:
Vitamin A: Karotten, Kartoffeln, gelbe und dunkel-grüne Gemüse;
B-Vitamine: Hefe, Fleisch, Milch, Eier, Hülsenfrüchte, Nüsse;
Vitamin C: Zitrusfrüchte, Kiwi, Paprika, Kohl, Kartoffeln, Tomaten;
Vitamin E: Vollkornprodukte, Pflanzenöle, Nüsse, Weizenkeime, Sonnenblumenkerne, Avocados;
Zink: Weizenkeime, Haferflocken, Meerestiere, Käse;
Selen: Muskelfleisch, Meerestiere, Vollkorn- und Sojaprodukte.
Bewegen
Immunbiologische und sportmedizinische Forschungsergebnisse belegen,
dass regelmäßiges Training die Abwehr stimuliert.
T-Lymphozyten, Makrophagen und natürliche Killerzellen werden aktiviert.
Entscheidend ist dabei, dass Sie sich regelmäßig, genügend oft,
aber innerhalb gesunder Grenzen bewegen.
Das heißt: täglich etwa eine halbe Stunde oder zwei- bis dreimal pro Woche jeweils eine Stunde.
Um die Belastung in gesunden Grenzen zu halten, müssen Sie Ihre Pulsschlag kontrollieren.
Wer sich überfordert, schwächt nämlich das Immunsystem.
Eine grobe Kontrolle darüber, ob Sie sich im richtigen Leistungsbereich befinden, gibt der Pulsschlag: Er sollte 180 minus Lebensalter nicht überschreiten. Sind Sie zum Beispiel 45 Jahre alt, ist die Obergrenze ein Pulsschlag von 135.
Am besten sind Ausdauersportarten, die möglichst die ganze Muskulatur beanspruchen: Gymnastik, Skilanglauf, Schwimmen, Radfahren, Dauerlauf oder zügiges Wandern.
Entspannen
Dauerstress und das Gefühl ständiger Überlastung schwächen das Immunsystem.
Wichtig ist es deshalb, sich Phasen der Entspannung zu gönnen.
Das muss nicht unbedingt Inaktivität heißen.
Während der eine alle Sorgen und Belastungen bei einem guten Buch vergisst,
kann der andere am besten in einer lustigen Spielrunde mit Freunden abschalten,
der Dritte beim Langlaufen durch die verschneite Landschaft.
Machen Sie sich klar, dass kein Mensch immer nur die Anforderungen anderer erfüllen kann und jeder das Recht hat,
sich auch einmal "auszuklinken".
Wer oft so unter Druck steht, dass er das Gedankenkarussell im Kopf nicht mehr abschalten kann,
erlernt dazu am besten Entspannungsmethoden wie Muskelentspannung nach Jacobson oder autogenes Training.
Natürliche Hilfen aus der Apotheke
Eine Reihe von Heilpflanzen ist in der Lage, vor allem die Schlagkraft jener Immunzellen zu steigern,
die sich als erstes auf Eindringlinge stürzen.
Die bekannteste unter ihnen ist der rote Sonnenhut (Echinacea purpurea). Aber auch Kombinationspräparate mit Auszügen des Lebensbaumes (Thuja), wildem Indigo (Baptisia) oder Wasserhanf (Eupatorium perfoliatum) haben sich bewährt. Diese so genannten Immunmodulatoren können bei richtiger, kurmäßiger Anwendung Erkältungskrankheiten vorbeugen. Nehmen Sie sie nach den Anweisungen des Herstellers oder dem Rat Ihres Arztes oder Apothekers ein. Ändern Sie Dosierung und Einnahmedauer nicht auf eigene Faust. Sie könnten sonst Ihre Abwehrkräfte überfordern.
Eine andere Gruppe von Heilpflanzen schützt den Körper, wenn Stress die Abwehrkräfte zu schwächen droht. So genannte Adaptogene helfen dem Organismus, mit Stress besser fertig zu werden und stärken die Widerstandskraft. Die wichtigsten Vertreter sind hier der Ginseng und die Taigawurzel.
Aus: Apotheken-Umschau. 1.10.1998, S. 11 ff
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