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TEIL 2
Das Deutsche Sportmuseum - Eine Bereicherung der Museenlandschaft
von Andreas Grote

Bitte nehmen Sie keinen Kunsthistoriker als Direktor; die sollten überhaupt vernachlässigt werden in diesem Zusammenhang. Hier braucht man wirklich einen Mann aus dem kulturwissenschaftlichen Bereich, auch aus dem Technikmuseumsbereich, man braucht einen Mann, den ich nicht sehe, aber vielleicht wächst man an einer solchen Aufgabe. Dieser Mann muss unbedingt in den Stand gesetzt werden, sammeln zu können. Dies ist nicht nur, aber vor allem eine Geldfrage. Die Verbände müssten, um dies nicht nur abzudecken, expressis verbis bereit sein, ihn dabei praktisch und energisch zu unterstützen. Es ist seine erste Aufgabe, die Dachverbände bis hinunter zum einzelnen Sportverband anzusprechen und zur Hergabe von Dingen, die der einzelnen Gruppierung sicher hoch und heilig sind, zu überreden. Der wissenschaftliche Direktor ist außerdem gehalten, während der ganzen Anlaufphase sofort loszulegen und zwar - das hatte ich Ihnen ja auch schon vorgeschlagen - muss er durch Wechsel- oder Wanderausstellungen versuchen, das Museum zum Laufen zu bringen. Dazu braucht er noch nicht so sehr viele Originale, er muss einfach das Museum möglichst bekannt machen, und dies mittels Wanderausstellungen, die am Anfang meistens Dokumentationen sein werden, solange keine großen Originale da sind. Diese Dinge müssten also sofort geschehen. Da kann auch der Direktor, der Leiter dieser Einrichtung, sehr schnell sehen, in welche Richtung die Sammelmöglichkeiten des Museums gehen. Daneben müssen natürlich ständig - das macht die Sache besonders schwer für den neuen Direktor - die laufende Programmarbeit und die daraus resultierende Raum- und Finanzplanung geleistet werden.

So und jetzt komme ich noch mal zum Thema zurück. Insgesamt würde ich die Frage, was man alles sammelt; wie man es darstellen könnte, und welche Bevölkerungsgruppen das Museum in Anspruch nehmen werden, zunächst in die Hand eines fachlichen Leiters eines solchen Museums legen. Wenn er gut ist, wird er sich ohnehin bemühen, den Sachverstand und das Engagement der Fachleute, der Dachverbände, deren Vereine, der einzelnen Sportler, natürlich auch der initiierenden Hochschulen weiterhin an das Museum zu binden. Ich bin auch ganz sicher, dass der Entschluss zur baldigen Gründung des Deutschen Sportmuseums dazu führen wird, dass man sehr schnell die ersten Aktivitäten verzeichnen kann. Dann wird man sich ganz zwangsläufig mit immer neuen und ganz konkreten Fragestellungen beschäftigen müssen.

Wenn nämlich über Inhaltliches nachgedacht wird, so würde ich dringend dafür plädieren, dass die nachfolgenden Punkte nicht außer acht gelassen werden: Da ist zunächst einmal das Stichwort Zielgruppenansprache. Planer und zukünftige fachliche Leitung des Deutschen Sportmuseums sollten sich möglichst Klarheit über die Zielgruppen verschaffen. Der Sport ist zweifellos eine sogenannte Breitenbewegung; das bedeutet aber sicherlich nicht a priori, dass alle Sportfreunde, Funktionäre, Fernseher oder aktive Sportler und Leistungssportler für die Nutzung dieses nationalen Museums selbstverständlich zur Verfügung stehen, so dass mit dem Argument gearbeitet werden kann, so und so viel Prozent der Bevölkerung werden jedes Jahr garantiert die Kassen klingeln lassen oder wenigstens die Drehtüren bewegen. Es ist sehr zweifelhaft, ob ein großer Teil derjenigen Zeitgenossen, die an Wochenenden unsere Fußballstadien oder Sportstadien bevölkern, mit Sport überhaupt den Begriff Museum zu verbinden in der Lage ist, und damit auch den Weg zum Sportmuseum suchen und finden würde. Also müsste in gewissem Umfang vorab etwas Marktforschung betrieben werden, um Erkenntnisse über die Frage zu gewinnen, an welche Ziel- oder Interessengruppe sollten wir uns wenden? Schon die Frage nach der Interessenlage bei einzelnen Altersgruppen oder nach der möglichen sozialen Schichtung oder Vorbildung solcher Interessenten ist wichtig. Danach müsste sich ansatzweise auch die Art und Weise der Auswahl und Aufbereitung von Inhalten im Sportmuseum richten. Dies gilt insbesondere für den bereits in der Absichtserklärung angesprochenen Fall, in welchem Sie ein solches Museum als Instrument der Öffentlichkeitsarbeit verstehen. Hier wäre nun zu fragen, Öffentlichkeitsarbeit für wen oder für was?

Wie ich mir bereits an anderer Stelle erlaubt habe anzumerken, würde ich es für das Fortkommen einer solchen Einrichtung für ungünstig halten, wenn sie auf die Darstellung der Arbeit der Fachverbände festgelegt wird. Dies würde ich als alleinigen Arbeitsauftrag aus vielerlei Gründen, die auch mit Glaubwürdigkeit zusammenhängen, ausschließen wollen.

Für wen also Öffentlichkeitsarbeit? Für den Sport als solchen? Für den Sport hat man bisher am besten geworben, indem man die Gelegenheit bot, ihn zu treiben. Dies kann aber nicht im Museum geschehen, jedenfalls nicht im Sinne von Breitenarbeit. Fotografiertem Sport z.B. aber haftet derselbe Nachteil an, wie etwa Buchausstellungen in Vitrinen. Man besieht sich Einbände, Titelblätter und Bilder und erfährt vom Buche selber nichts. Es ist also zu diesem Komplex dasselbe anzumerken, was man auch im Falle von anderen Museen tut: Das Museum arbeitet für die und mit der Öffentlichkeit, indem es existiert und zugänglich ist. Die herzustellende Öffentlichkeit muss zumindest Aktivitäten der Besucher betreffen. Lässt man das Publikum hier gewähren bzw. unterstützt man es tatkräftig bei diesem Tun, so wird auch ein gerüttelt Maß von Werbungseffekt für den Träger oder die Träger selbst abfallen, und somit auch für den deutschen Sport als Ganzes.

Wir haben bisher einige Bemerkungen zu Zielgruppen und Zielrichtungen der Museumsarbeit gemacht. Informationen über die Nutzer eines Sportmuseums lassen sich durch gezielte Umfragen erhalten. Solche Umfragen sollten sich allerdings nicht allein deshalb nur an Sporttreibende richten, weil vielleicht am leichtesten an solche Leute heranzukommen ist. Nein, man sollte unbedingt versuchen, die bisherigen allgemeinen Erkenntnisse hinsichtlich Akzeptanz von Museen, wie sie etwa durch die Forschungsarbeit unseres Instituts für Museumskunde zur Verfügung gestellt werden, mit einzubeziehen, aber auch über Aufträge an einschlägig bewanderte Firmen breiter gestreute Informationen erarbeiten zu lassen. Die Bereitschaft unseres immerhin durch Bund und Länder finanzierten zentralen Institutes, seine Arbeitsergebnisse mitzuteilen; hier zu beraten und entsprechende Hinweise zu geben, kündige ich hiermit an.

Ein weiterer Punkt: Wenn Sie an das Bauen denken, planen Sie die Gebäude bitte nicht zu genau entlang eines schon bestehenden oder noch zu erarbeitenden Ausstellungs- und Aufstellungsprogrammes. Gerade junge Museen mit neuen Aufgabenstellungen haben es an sich, dass sie wachsen, gerade wenn sie dynamisch arbeiten. Geben Sie den Architekten also möglichst wenige inhaltliche Vorgaben, dafür machen Sie aber um so strengere Auflagen hinsichtlich der Erfüllung von Mindestanforderungen für Belüftung, Klimatisierung, Sicherheit für Benutzer und Betreiber sowie der Gegenstände. Je besser diese Voraussetzungen sind, desto leichter wird es Ihnen später fallen, auch einmal bedeutendere und kostbare Leihgaben oder Ausstellungsstücke für das neue Haus zu gewinnen. Und vergessen Sie nicht, Ihren für Beleuchtungsprobleme zuständigen Ingenieur streng an die Kandare zu nehmen. Hier wird an den Sammlungsgegenständen weithin noch immer stark gesündigt.

Ein zusätzlicher Punkt sind die Medien. Hierzu möchte ich folgendes ausführen: Die Aussagefähigkeit von Objekten, gedrucktem oder geschriebenem Informations- oder Ausstellungsmaterial wird hinsichtlich der Akzeptanz beim Publikum meist sehr überschätzt. Wir wissen heute, dass ein großer Teil der Museumsbesucher oftmals nicht in das Museum geht, um sich bilden zu lassen, sondern weil er dort unterhalten werden will. Diese Haltung haben die Sozialwissenschaftler gelegentlich sehr treffend als "window shopping attitude" bezeichnet, und damit das Museum als Massenkommunikationsmittel neben die Warenhäuser gestellt. Diesen interessanten Gedanken können Sie in einem Band der Publikationsreihe meines Institutes über "Besucher im Technischen Museum" nachlesen. Die Beobachtung gilt jedoch nicht allein für diese Museumssparte, sondern kann offenbar generalisiert werden. Das zwingt uns bei der Planung neuer Museen zu neuem Nachdenken über die Art und Weise, wie wir unsere Inhalte hinüberbringen. Gerade die Darstellung des Sports, der ja in aller Regel dynamische Bewegungsabläufe und auch starke Emotionen beinhaltet, kann nicht ohne erheblichen Einsatz von Medien, vor allen Dingen audiovisueller Medien, auskommen. Hier ist es erforderlich, um die richtigen Medien einzukaufen, da man sich über aktuelle und zukünftige Besucher einigermaßen im klaren ist. Schon die annähernde Beantwortung von Fragen wie: handelt es sich überwiegend um Einzelbesucher oder überwiegend um Gruppen (welcher Art, Altersstufe, Vorbildung, Herkunft usw.), kann wichtige Daten für derartige wirtschaftliche und planerische Entscheidungen liefern. Im übrigen wird im Museum beim Einsatz von Medien bisher durchgängig wenig sachgerecht vorgegangen. Meist rennt man auch den Entwicklungen hinterher. Dieser Umstand erklärt auch die Tatsache, dass jene mit großem publizistischem Aufwand installierten Videoschauen oft nach kurzer Zeit aus technischen Gründen nicht mehr in Betrieb sind. Es wird meist vergessen, dass erhebliche Folgekosten nicht nur für die Inhalte, also die laufenden Wahlprogramme und ihre Erstellung entstehen.

Wenn Sie Haushaltspläne aufstellen, möchte ich Sie dringend darauf hinweisen, dass Sie diese Daten den laufenden Titeln zuordnen. Daher möchte ich hier eine wettbewerbsfreundliche Warnung an Sie weitergeben: Lassen Sie sich zunächst möglichst nicht von Firmen beraten, die, ohnehin in Unkenntnis Ihrer Vorgaben, Inhalte und Zielgruppen, nur Markensysteme verkaufen können und wollen. Auch hier ist generell zu sagen, was für so viele Gebiete und Anwendungsbereiche gilt: Das teuerste oder technisch attraktivste System ist nicht notwendigerweise identisch mit demjenigen, was den von Ihnen angestrebten Zwecken am besten gerecht werden könnte.

Zunächst müssen Inhalte feststehen, also Drehbücher vorliegen, dann muss die Art und Weise der Zielgruppen bekannt sein. Erst dann sollte man beginnen, sich über Ausstattung mit und Einsatz von Medien Gedanken zu machen. Nach Vorgabe der inhaltlichen und adressatenbezogenen Daten können Mediendidaktiker oder ähnliche Fachleute, etwa aus der Industrie- oder Werbebranche, zum Einsatz kommen.

Diese Leute können dann anhand Ihrer Vorgaben beurteilen, auf welche Weise Ihre Inhalte am besten an den Mann gebracht werden können. Auch hier erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass mein Institut sich gegebenenfalls als unverdächtiger Makler und sachkundiger Berater einsetzen lassen könnte, wenn Sie dies wünschen. Auch auf die Tätigkeit der Stiftung Warentest möchte ich in diesem Zusammenhang hinweisen.

Zu den Abläufen der Gründung eines geplanten Museums darf ich hier die Vermutung äußern, dass die Angelegenheit am besten ihren Anfang nehmen würde, wenn man sich zunächst entschließen könnte, wie es vorhin bereits angedeutet wurde, die Tätigkeit mit der Ausrichtung von kleineren, thematisch eng begrenzten Sonderausstellungen oder Wanderausstellungen, langsam anlaufen zu lassen-, diese sollten so ausgelegt sein, dass sie an möglichst vielen Orten gezeigt werden können. Ein solches Verfahren bedeutet nicht notwendigerweise, dass man später Geld spart. Wenn man glaubt, man könne solche Ausstellungen dann später einfach in ein zukünftiges Museum einordnen und habe damit Planungsstrecken hinter sich gebracht, so befindet man sich im Irrtum. Nutzen Sie vielmehr die Erkenntnisse hinsichtlich Akzeptanz und Zielgruppen, die sich am besten anhand solcher kleinerer Ausstellungen gewinnen lassen. Um solche Erkenntnisse und Erfahrungen wirklich sammeln zu können, sollte an der Aufmachung solcher Ausstellungen nicht gespart werden. Man soll sich von vornherein auch damit vertraut machen, dass sie - wegen ihres experimentellen Charakters - während ihrer Laufzeit gelegentlich völlig überarbeitet bzw. verändert werden müssen. Solche Ausstellungen müssen ausgewertet und wissenschaftlich begleitet werden. Die Techniken, welche hier zur Anwendung kommen, sind in Deutschland auf unserem Gebiet noch wenig eingeführt, sie heißen Evaluation. Ich plädiere also dafür, solche unter der Flagge des neuen Museums laufenden Ausstellungsvorhaben professionell betreiben zu lassen, nicht allein sportlich professionell, sondern ausstellungstechnisch professionell. Das beinhaltet auch die Berücksichtigung der oben immer wieder angesprochenen allgemeinen Fragestellungen im Vorfeld der Planung. Ziehen Sie möglichst frühzeitig möglichst hochkarätige Fachleute sowie Ausstellungsmacher, Designer und Ausstellungsarchitekten heran und spannen Sie die Museumswissenschaftler mit letzteren von Anfang an zusammen; sie müssen nebeneinander am Tisch sitzen. Diejenigen unter Ihnen, die Kenntnisse über die Praxis der Industrie haben, werden mir vorhalten, dass dies doch alles Binsenwahrheiten seien. Wenn dies so wäre, wäre ich froh: denn bei der Planung von Ausstellungen durch Museumsleute und andere Außenseiter ist dies leider noch immer keine Selbstverständlichkeit. Gerade bei uns glaubt nämlich jeder, sich in Geschmacks- und Medienfragen einmischen zu können. Das ist der Grund, warum wir so oft kopfschüttelnd und gar mit schwimmenden Augen aus Ausstellungen herauskommen, die wir hoffnungs- und erwartungsvoll betreten haben.

Sie haben nun eine Auskunft zu der Frage erwartet, ob ein neues Sportmuseum ein Gewinn für unsere "Museumslandschaft" sei. Insofern habe ich das Thema vielleicht verfehlt, aber doch einige Punkte benannt, welche unserer Erfahrung nach heutzutage unbedingt beachtet werden müssen. Zum Schluss lassen Sie mich bitte noch einige vielleicht utopische Glanzlichter setzen, auch um die Diskussion etwas "anzuheizen". Ich würde z.B. von einem Sportmuseum erwarten, dass es die Besucher nicht allein zu passivem Verhalten oder zur reinen Rezeption von mehr oder weniger perfekt angebotenen Inhalten degradiert, sondern sie auch zur Eigentätigkeit, zur Entwicklung gruppendynamischer Prozesse ermutigt. Solch ein Museum benötigt also einiges Freiland um sich herum, wo die Leute auch einen Auslauf haben. Bei dem vorgeschlagenen Standort in Köln scheint diese Voraussetzung erfüllbar zu sein. In den einzelnen Abteilungen und Ausstellungen selbst muss ebenfalls Freiraum zur Verfügung stehen bzw. müssen gewisse Möglichkeiten vorhanden sein, die ausgestellten Geräte wenigstens teilweise auch zu benutzen. Dies Prinzip der "hands on"-Museen hat sich weithin sehr bewährt, allerdings mit sehr unterschiedlichem pädagogischen Erfolg.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass z.B. eine Abteilung das Verständnis der physikalischen Möglichkeiten und Grundgesetze des Sports wecken wird. Hier müsste der Besucher selbst Bewegungsabläufe und Energieübertragungsmodelle anhand von Modellen und Simulatoren nachvollziehen können. Durch eine solche Darstellung wird er auch ein besseres Verständnis für die erstaunlichen Hochleistungen des Sports gewinnen. Schön, aber schwierig zu realisieren, sicher auch nicht sehr opportun, wäre eine Schau "Sport und Politik". Noch schöner wäre eine solche mit dem Thema "Sportler und Politiker". Ein sogenannter "Giftschrank" zu diesem Thema gehört sicher längst zum Deutschen Sportmuseum. Sie sehen, problematische, aber interessante Themen gibt es genug.

aus: "Das Deutsche Sportmuseum", Hrsg. M. Lämmer, Academia-Verlag, St. Augustin, 1991, S. 9 - 22
Dort gibt es noch viele weitere Informationen, Anmerkungen und Quellenangaben, die im Zusammenhang mit der Gründung des Deutschen Sport- und Olympiamuseums von namhaften Autoren zusammengestellt worden sind!

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