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Hier erfahren wir, wie die Präsentation des Sports und seiner Geschichte verbunden wird mit einem Begriff, den wir aus der modernen Freizeitindustrie kennen: Animation. Schwungvolle, mitreißende Anregung und spaßorientierte Beschäftigung sind unsere Vorstellung von Animation.
Aber was kann das mit einem Museum zutun haben?

 

aber so trocken, nüchtern oder langweilig, wie viele sich ein Museum vorstellen, kann und darf es sicher nicht in einem Museum wie dem Deutschen Sport- und Olympiamuseum in Köln sein.
Hier werden wir "animiert", ja, wozu, wie und warum?
Der folgende Text gibt uns Antworten auf diese Fragen. Er kann bestimmt aufräumen mit vielen Klischees und falschen Vorstellungen über Museen.

Ganz so einfach ist es sicher nicht,  

Animation in Museen
von Andreas Grote

Was das Thema angeht, das mir für diesen Beitrag genannt wurde, so bin ich froh, dass ich die Möglichkeit bekomme, mich über einige unserer Erfahrungen zu äußern, die das Ergebnis von Untersuchungen über das Verhalten von Museumsbesuchern sind. Diese Untersuchungen wurden am Institut für Museumskunde in Berlin durchgeführt, das bundesstaatliche und zentrale Institut, dessen Gründung ich unterstützt und das ich in den letzten 10 Jahren geleitet habe. Natürlich sind wir nicht die einzigen, die sich mit diesem Problem beschäftigt haben, da gibt es weitere Universitäten in Deutschland, USA, Großbritannien etc., die mit uns zusammenarbeiten. Wie Sie alle wissen, ist in Berlin eine beachtliche Anzahl an großen und kleinen Museen beheimatet, und viele von ihnen gibt es in beiden Teilen der Stadt. Ich beabsichtige nicht, auf die Gründe und Konsequenzen dieses Zustandes einzugehen, sondern es sollte ausreichen zu sagen, dass schon 40 Museen im Westteil der Stadt allein eine gute Grundlage wären für Untersuchungen über Museen, ihr Personal und ihr Publikum, dass aber, seitdem das von mir geleitete Institut für die weit mehr als 2000 Museen in der gesamten Bundesrepublik und West-Berlin arbeitet, Sie mit Recht hier einen Sachverständigen erwarten. Ich hoffe, dass Sie in Ihren Erwartungen nicht enttäuscht sein werden.

Wenn ich auf das Thema "Animation in Museen" in einer rationalen, d.h. deutschen Weise zugehe, könnte ich damit beginnen, Definitionen der Begriffe "Animation" und "Museum" zu liefern - das werde ich aber nicht tun. Ich hoffe eher, dass Sie, nachdem Sie mich gehört haben, jeden dieser Begriffe für sich selbst definieren können. Ich ziehe vor, mich auf den Versuch zu beschränken, ein sogenanntes typisches oder durchschnittliches Museumserlebnis, das ein Besucher durchlebt, zu beschreiben, nicht aber das Museum selbst. Danach möchte ich Ihnen das Museum in Bezug auf darin enthaltene Medien darlegen; und dann versuchen Sie und finden Sie heraus, was "Animation" möglicherweise bedeuten könnte, wenn es im Zusammenhang mit dem Museum gebraucht wird.

Ich werde uns jetzt alle in die Schuhe eines rein hypothetischen Museumsbesuchers hineinversetzen, eine glückselige Erfahrung? Man sieht vor sich ein Lebewesen, das offensichtlich dauernd vorangetrieben wird, eine solche Erfahrung durchleben zu wollen (schrecklich, wenn wir den mehr oder weniger antiquierten Kritiken über das Museum glauben), andererseits dennoch erträglich oder völlig angenehm, wenn wir den Ergebnissen der Besucheruntersuchungen folgen, die gegenwärtig in den USA, Kanada, England und Deutschland laufen und die schon viele Jahre zuvor begonnen haben. Natürlich will ich mich an Deutsche Museen und deren Erfahrungen mit ihren Besuchern halten, weil selbst wenn es eine beachtliche Anzahl an Literatur über den Zustand in anderen Ländern gibt, so meine ich nicht, dass ich mich einmischen sollte. Vielleicht können einige von Ihnen eigene Erfahrungen und Experimente auf diesem Gebiet beisteuern.

"Let us go then, you and I,
When the evening is spread out against the sky
Like a patient etherised upon a table ...
Oh, do not ask, 'What is it'?
Let us go and make our visit.
In the room the women come and go
Talking of Michelangelo ..."

Ein Besuch zum Fünfuhr-Tee am späten Nachmittag, so wie ihn T.S. Eliot in seinem Gedicht "Prufrock" beschreibt, ist natürlich eine höchst gesellige Sache, aber so scheint der Museumsbesuch auch zu sein. Es steht außer Frage, dass wir alle wissen, dass es das "durchschnittliche" Museum nicht gibt: jedes hat seine einzigartige Sammlung an Objekten, verfolgt bestimmte Ziele und Absichten und hat seine eigene Geschichte. Nichtsdestoweniger glaube ich, dass eine Gruppe von Leuten, die mit Sport und Sportmuseen zu tun haben - eine einigermaßen übereinstimmende Meinung darüber haben, was ein Museum ist. So lassen Sie uns nun alle an einen Museumstyp denken, der uns vertraut ist, angesiedelt zwischen Kulturgeschichte und Wissenschaftszentrum, mit dem Hauch einer Sportgedenkstätte.

Wir sind nun die Besucher. Höchstwahrscheinlich müssen wir alleine kommen - unsere Untersuchungen zeigen das - und dann kommen wir auch höchstwahrscheinlich aus einer Laune heraus. Oder wir sind Teil einer kleinen Gruppe, vielleicht mit Familienmitgliedern oder unserer Freundin, und in diesem Fall ist der Museumsbesuch eine geplante Sache. Wir haben eine generelle Vorstellung darüber, wie viel Zeit wir an diesem Ort verbringen möchten, wir glauben, dass wir alles in einer Dreiviertelstunde schaffen. Wenn wir in Gesellschaft kommen, werden wir uns nicht vom geforderten Eintrittspreis abschrecken lassen, aber wir wären angenehm überrascht, wenn der Preis niedrig ist bzw. der Eintritt frei wäre. Dann begeben wir uns in das Abenteuer, ohne eine Vorstellung davon, was uns erwartet, dennoch bereit, unterhalten zu werden oder mehr noch, berührt, informiert usw., selten erwarten wir gebildet zu werden. Unsere Haltung ist - in der gleichen Weise wie die Bereitwilligkeit, einen solchen Ort zu besuchen - bedingt durch unsere Schule und akademisches Training.

Im Museum werden wir mit einer sehr heterogenen Masse an Objekten konfrontiert, einige in Schaukästen und unter Glas, andere freistehend; einige werden sofort wiedererkannt (wir haben so etwas irgendwo schon mal gesehen), andere erregen unsere Neugier, wieder andere haben wir auf den ersten Blick nicht wahrgenommen.

Viele Objekte haben einen Text in ihrer Nähe, der offensichtlich als Erklärung dienen soll, sehr oft kann dieser Text nur entziffert werden, wenn man niederkniet oder irgendwelche anderen gymnastischen Übungen vollbringt.

Da gibt es Bilder an den Wänden, zumeist Fotos, aber wir entdecken weitere Informationsquellen, wie z.B. geschriebene oder gezeichnete Tafeln und Grafiken, die gelegentlich durch Knopfdruck aktiviert werden können, und wir entdecken und bewundern Miniaturmodelle, die uns Dinge in einem Maßstab zeigen, den wir von unserer elektrischen Modelleisenbahn zu Hause her gewohnt sind. Riesige Tafeln werden uns dargeboten, die uns eine Flut von Textinformationen aufladen schön anzusehen - wenn sie gut gemacht sind - aber es muss sehr viel gelesen werden (Zeitetat!). Weiterhin gibt es Dinge, die uns einladen, sie anzufassen, und andere, die deutlich mit einem "Nicht berühren" versehen sind, obwohl sie in Schaukästen liegen oder auf andere Weise unzugänglich gemacht wurden. Wir betreten Räume, in denen wir uns wohl fühlen und andere, die wir nicht mögen, einige von ihnen erscheinen ganz und gar bedrohlich, so dass wir instinktiv vor unserer weiblichen Schar vorneweg gehen (dies betrifft die dunklen Passagen mit dämmrig beleuchteten Schaukästen, die bei einigen Kollegen so beliebt sind, die aber - wie unsere Ergebnisse zeigen - für unsere Besucher unattraktiv sind).

Und immer häufiger trödeln wir nur noch herum, betrachten müßig dies und jenes, schielen sogar auf die Beine der Mädchen, falls vorhanden. Tatsächlich scheint das durchschnittliche Besucherverhalten, das eines müßigen Schaufensterbummels zu sein (nach dem Soziologen Treinen). Finden wir einen Knopf, dann drücken wir ihn und beobachten, ob unsere Bemühung ein Ergebnis gebracht hat, wie z.B. eine Maschinerie zu starten, und damit sind wir zufrieden. Wir möchten uns nicht den ganzen Unsinn ansehen, der vermutlich dies oder jenes demonstriert, und wobei die Leute, die diese Apparatur gemacht haben, offensichtlich wollen, dass wir es zu Ende führen. Andererseits beobachten wir häufig das Verhalten anderer Leute, schnalzen mit der Zunge oder schütteln unsere Köpfe, wenn die Jüngeren alle vorhandenen Vorrichtungen ausprobieren müssen, da wo es Computerspiele gibt (in einem Sportmuseum könnten diese vielen Zwecken dienen), beobachten wir wohlwollend, wie die Jugendlichen versuchen, den Computer zu bezwingen. Wenn wir selbst "computererfahren" sind, versuchen wir unserer Gruppe zu erklären, wie diese Einrichtung funktioniert, wir erhaschen flüchtige Eindrücke von dem, was inhaltlich auf dem Bildschirm passiert, aber es ist eher das dargebotene "menu", das uns am meisten interessiert.

Nachdem dies alles vorbei ist, erholen wir uns glücklich und etwas benommen in der Cafeteria, wir gehen hinaus auf die Museumsanlagen, wir lungern um die Verkaufstische, kaufen diese oder jene Sache und dann gehen wir.

Wir blinzeln in das Tageslicht, wir fühlen uns gut, wir haben uns zufriedenstellend unterhalten, wir fühlen, dass wir unsere Schuldigkeit getan haben, das eine oder andere, das uns berührt hat, wird noch diskutiert, und dann gehen wir unseren Tagesgeschäften nach.

So könnte es gewesen sein. Aber wo sind wir tatsächlich gewesen? Unzweifelhaft haben wir eine besondere Umgebung besucht, die für unsere (und für jedes anderen) Wahrnehmung besondere Anregungen bietet und erwartet, besichtigt zu werden. Aber wie können wir so eine Umgebung klassifizieren? Um es kurz zu machen und Sie nicht mit langen, komplizierten soziologischen und konzeptionellen Theorie zu belasten, möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Ergebnisse des deutschen Soziologen Treinen lenken, der sich wiederum auf sehr viele frühere Untersuchungen über die Massenkommunikation bezieht. Die Umgebung, der wir soeben ausgesetzt waren, entspricht ganz offensichtlich der fundamentalen Definition über ein Medium in der Massenkommunikation von Dexter und White: es kann definiert werden als eine Institution, die symbolische Inhalte verbreitet an eine äußerst heterogene Öffentlichkeit.

Mit anderen Worten: das Museum kann als Medium der Massenkommunikation angesehen werden. Lassen Sie mich erklären: Die Rezipienten der Ausstellungsinhalte (d.h. die Besucher) und die Techniken, mit denen diese Inhalte dem Auge und den Ohren des Besuchers angeboten werden, sind grundsätzlich verschieden von den Kommunikationsstrategien und Strukturen anderer Institutionen, besonders von denen der Erziehung. In den letztgenannten gibt es direkte und geplante Begegnungen zwischen Inhalten und - und hier der größte Unterschied zum Museum - gut definierten und bekannten Zielgruppen, und werden gut abgestimmte Kapitel und erzieherische Inhalte dargeboten, sowie messbare Ergebnisse erreicht (Lernfortschritte). Das Museum jedoch ist da, um von der gesamten Bevölkerung besucht zu werden, von möglichst allen Altersgruppen und von Gruppen in den verschiedensten Stadien mentaler und erzieherischer Vorbereitung, die natürlich auch sehr unterschiedliche Gründe haben, diese Stätten zu besuchen, und sie dementsprechend mit einem unterschiedlichen Meinungsbild im Vergleich zu anderen Individuen und Gruppen wieder verlassen. Ohne diesen faszinierenden Gegenstand weiter ausbreiten zu wollen, der für alle, die mehr oder weniger mit Museen zu tun haben, tatsächlich etwas von hohem Reiz bis zur tiefen Verzweiflung darstellt, so ist er dennoch ein Teil unserer gemeinsamen Erfahrung. In der Tat ist der Besucher von Museen und Ausstellungen noch immer eines der unbekanntesten Wesen und jetzt versuchen wir nur herauszufinden, wie er oder sie wirklich aussieht und sich verhält.

Das heißt nicht, dass wir hier und jetzt aufhören sollen, das zu tun, was wir immer getan haben, aber eine bessere Kenntnis des Besuchers, wie er wirklich ist, und nicht wie wir vermuten, dass er sei (wenn wir dieses Thema anschneiden, wird jeder Museumsdirektor Ihnen versichern, dass er lange genug diesen Beruf ausübt und sein Publikum ausgezeichnet kennt); eine solche Kenntnis wird es dem Museum vielleicht ermöglichen, die Wahl zu treffen, auf welche Mehrheit oder Zielgruppe hin es seine Bemühungen ausrichtet oder ausrichten sollte, und schließlich wird es möglich, Ziele zu formulieren. Wenn Sie gut definierte Ziele haben, können Sie beginnen, über die Medien nachzudenken, die Ihnen dabei helfen werden, diese zu erreichen.

Wenn wir die etwas schockierende, aber wie ich meine, überzeugende Theorie akzeptieren, dass das Museum ein Ort ist, wo Massenkommunikation stattfindet, dann erinnern wir uns sofort an den brillanten Spruch, der die 60er Jahre so erregte: "Das Medium ist die Botschaft". Denkt man daran, so ist tatsächlich ein großer Teil der Museumsbotschaft selbst ein Medium im Zusammenhang mit Massenkommunikation.

Wenn das Museum ein Medium der Massenkommunikation ist, so ist alles, was es der Öffentlichkeit zeigt, jedes Konzept, das es formuliert und jede Art, in der es sich dem Publikum präsentiert, medial. Dies mag für einige unserer Kollegen überraschend sein, besonders für die, die innerhalb des Museums an sich leben, arbeiten und denken, wie z.B. in den hochspezialisierten Kunstmuseen. Aber versuchen nicht gerade sie, eine Botschaft einem stark zerstreuten und unkalkulierbaren Publikum zu überbringen? Versuchen nicht alle Museumsdirektoren, ihr unbekanntes Publikum so zu manipulieren - z.B. durch das Angebot von Orientierungshilfen, Informationsbereichen, Führern und Plakaten - dass es entsprechend reagiert und sich verhält, wie es sein sollte, so dass der Besuch sowohl für den Museumsdirektor (zu seiner Zufriedenheit) als auch das Publikum (vorhersagbares Verhalten an Ort und Stelle) nutzbringend, oder was er sonst sein soll, endet?

Wenn wir uns einmal an die Idee gewöhnt haben, oder besser, uns selbst mit ihr versöhnt haben, realisieren wir, dass sie selbstverständlich ist, denn wie bei anderen Massenmedien besitzt im Auge der Öffentlichkeit alles, was das Museum bietet einen hohen Grad an Autorität. Das Publikum reagiert darauf so wahllos wie auf andere Arten von Symbolen - es meint automatisch, dass das ihm Dargebotene die härtesten Tests in Bezug auf Glaubwürdigkeit und Authentizität bestanden hat, - wir sehen uns einer gewaltigen Verantwortung gegenüber. Diese Tatsachen erklären auch einige der eher "dummen" Fragen, die einem Museum dauernd gestellt werden, nämlich, ob dieses oder jenes Objekt "wertvoll", "authentisch", "handgemacht" ist, oder wie viel es kostet und wie lange man braucht, so etwas herzustellen. Das gewöhnliche Publikum verspürt aus Gründen, die ich genannt habe, wenig Neigung, nach Inhalten und Botschaften in Museen zu fragen, es fühlt sich dazu nicht kompetent. Wenn man das weiß, dann haben der Museumsdirektor oder der Designer bzw. Hersteller von Ausstellungsräumen eine große Verantwortung, weil, wie ich sagte, die Öffentlichkeit leichtgläubig ist und der Gestalter sollte sehr gut abwägen, mit Hilfe welchen Mediums er seine eigene Vorstellung bzw. die des Museums, von Wissenschaft, Politik oder ähnlichen Bereichen umsetzt. Um der Reihe nach von diesem Punkt fortfahren zu können, müssen wir natürlich versuchen, die verschiedenen Klassen der Medien in Museen zu unterteilen, bis wir abschließend auf unser Thema, Animation im Museum, zurückkommen.

Nach dem Museum selbst ist wohl das Objekt das erste und wichtigste Medium im Museum, nicht als solches, sondern in dem Zusammenhang, in den es gesetzt wird. Ich vermute, dass die meisten Museen darin Übereinstimmen würden. Das Objekt ist der Mittelpunkt der museumseigenen Aktivität, es muss gesammelt, geprüft, konserviert und gelagert werden. So weit so gut: wir reden hier nicht über die eingelagerten Objekte, weil im Depot die Objekte nicht dem öffentlichen Auge zugänglich sind, sie sind noch nicht instrumentalisiert für die Botschaft, die die Präsentation oder Dauerausstellung überbringen soll.

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E-Mail:   netSCHOOL Redaktion ; 2003