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TEIL 2
Animation in Museen
von Andreas Grote

Die Depoträume des Museums sind reine Archive, aus denen die bedeutsamsten Objekte ausgewählt werden können, um sie wegen ihrer Symbolkraft im Zusammenhang mit der Ausstellung zu zeigen. Ich will mich bei dieser Gelegenheit nicht wieder über die funktionalen Aspekte der Museumsarbeit auslassen, die sind Ihnen allen wohlbekannt - sondern möchte meine Argumente darauf beschränken, was das Öffentliche Auge zu sehen bekommt. Es wäre jedoch eine interessante Fragestellung, die wir hier jedoch nicht weiter verfolgen wollen, ob die Konzeption der Dauerausstellung oder das Objekt zuerst da war. Man könnte beide Wege gehen. Wir werden weiterhin jedes Diskutieren darüber vermeiden, ob das Objekt ein "mit Aura umgebenes" Original oder eine weniger "auratische" Kopie oder Reproduktion sein sollte. Diese Alternative könnte zu Irrtümern führen, wenn wir bedenken, was iii unserer Dauerausstellung wirklich passiert - das Publikum ist höchst leichtgläubig (ich habe das bereits angemerkt) und wenn wir Museumsleute ein hohes Maß an Berufsethik haben, so könnten oder sollten wir die Öffentlichkeit wenigstens darüber informieren, was was ist. Genau hier sollten wir uns an das weise Sprichwort eines ehrwürdigen amerikanischen Kollegen erinnern, der gesagt hat: "Ein ausgestopfter Tiger in einem Museum - das ist ein ausgestopfter Tiger in einem Museum, und kein Tiger". Viele unserer Kollegen werden gelegentlich von ihrer Botschaft so mitgerissen und vergessen vollkommen, dass das Publikum keinen lebenden, sondern einen ausgestopften Tiger sieht.

Dies leitet uns zu dem Medium der Beschriftung. Die Beschriftungen sind kleine Stücke aus Pappe oder Pressspan und enthalten gewöhnlich zu viel Text, weil das Museumspersonal denkt, dass wir etwas über das Objekt wissen sollten. Diese Schildchen sind ein wesentlicher Teil des ausgestellten Museumsobjekts. Sie sind gewöhnlich überall vorhanden, manchmal schwer zu finden und manchmal auch eine große Enttäuschung (so hat der Besucher wohl keinen Nutzen davon, Inventarnummern und komplizierte Zahlenkodierungen zu kennen, bzw. von einer Flut an historischen Daten, die jemand, der auf dem Gebiet nicht geübt ist, gar nicht einordnen kann. Und wer kann schon Hunderte von diesen dicht geschriebenen kleinen Zeichen lesen, nachdem er die ersten Zwei oder Drei entziffert hat. Aber nichtsdestoweniger müssen wir weiterhin wohl für den Rest unseres Lebens über die Art der Beschriftung nachdenken). Seit dem Beginn des Jahrhunderts gibt es Beschriftungen und sie sind da, um zu bleiben.

Nun lassen Sie uns fortfahren, über Medien im hypothetischen Zusammenhang einer Ausstellung zu sprechen. Die Botschaft, die das Museum dem leichtgläubigen Publikum nahe bringen möchte, ist so komplex, dass weitere Erklärungen notwendig sind. Diese Botschaften neigen dazu, immer umfassender zu werden, je weiter die Zeit fortschreitet: das Publikum stellt heutzutage die unglaublichsten Fragen. Es erwartet beispielsweise in einer Rembrandt-Ausstellung einige schnelle Informationen darüber zu bekommen, wie der Mann wirklich ausgesehen hat, wie er seinen Lebensunterhalt verdient hat, wen er kannte usw., oder warum seine Werke heute soviel mehr geschätzt und höher bezahlt werden, als die seiner Zeitgenossen oder Picassos.

Denke ich an ein Sportmuseum, so könnte ich mir vorstellen, dass in einer Fußball- bzw. Soccer-Ausstellung Fragen auftauchen, z.B. über Profis und Amateure, über die Ursachen der Gewalt in Stadien und warum bestimmte Profis soviel teurer sind als andere. Das Museum könnte versuchen, einem solchen Nicht-Fußballfan wie mir, alles zu erzählen, was es über dieses Spiel gibt, seine Geschichte, seine Regeln sowie alle Fragen zu beantworten, die nur sehr selten und von einem absoluten "Tölpel" wie mir gestellt würden. Ich denke, alle Fragen sind legitim, wenn wir darauf achten, in welchem Zusammenhang sie beantwortet werden. - Aber wie könnte man dieses Problem lösen? Unsere erste Reaktion ist der Entwurf von noch mehr Text in Form von großen Tafeln, die, wie wir aber nun wissen, als Medium nur eine geringe Funktionsfähigkeit haben. Sie werden nicht gelesen. Weiterhin könnte man auf Maßstabsmodelle zurückgreifen, die eine einzige und/oder historisch bzw. technisch bedeutsame Situation zeigen. Wie unsere Beobachtungen gezeigt haben, scheinen diese Dioramen eine sehr viel größere Faszination auszuüben, als andere Medien, wie z.B. die zuvor erwähnten sorgfältig ausgearbeiteten Tafeln, auf die wir alle so stolz sind. Damit haben wir auch wieder die Möglichkeit, ein "Original" zu zeigen, und die Art und Weise, wie wir es zeigen, macht deutlich, dass es mit der gewissen Aura umgeben ist, wie z.B. die Stiefel eines berühmten Fußball-Nationalspielers.

Wir können nun wieder das Medium wechseln und bieten dem Publikum die Möglichkeit, Dinge in die Hand zu nehmen oder irgendwelche Modelle zu aktivieren, die effektiver sind als ein ganzes Buch voll geschriebener Erklärungen zu physikalischen Gesetzen und Bedingungen in Bezug auf die Aktivitäten eines Sportlers. Im Zusammenhang mit einer Ausstellung ist dies wohl das attraktivste Medium, von dem insbesondere die jugendliche Kundschaft normalerweise spricht, und als "Animateur" umso effektiver, wenn es Spannung bietet, Geräusche erzeugt oder dem Benutzer die Möglichkeit bietet, seine eigenen intellektuellen oder körperlichen Kräfte an dieser Maschinerie zu messen. Schwierigkeiten bestehen für den, der solche Spiele entwirft darin, dass mit der investierten Energie und Kraft ein maximaler Lerneffekt in minimaler Zeitspanne erreicht werden soll.

Ein weiteres Medium, das der Öffentlichkeit im Museum begegnet, ist die Audiovision, d.h. wechselnde Farbbilder, die mit einem gesprochenen Kommentar oder anderen Geräuschen kombiniert werden. Der Einfachheit halber möchte ich auch die speziellen Filmvorführungen im Museum unter dieser Gruppe zusammenfassen, selbst wenn die Themen dieser Präsentationen gelegentlich nur einen geringen Bezug zur Museumsbotschaft haben. Streng genommen können solche Filmvorführungen nicht als Animationsmittel im Museum angesehen werden, da sie vom Betrachter erwarten, dass er sich für eine beachtliche Zeitspanne niederlässt (wenn er wirklich genug Geduld hat und ihn die Handlung interessiert). Eine andere Möglichkeit ist die Audiovision am Ausstellungsort selbst, aber dabei sind die technischen Mittel noch sehr unbefriedigend (egal, was die Firmen versprechen, die die verschiedenen Systeme verkaufen), insoweit, als diese Medien nur schwer in den Ausstellungszusammenhang eingebracht werden können. Sie brauchen Platz für die Zuschauer, sie haben noch immer - für den Fall, dass man keine beachtlichen Geldmengen ausgeben kann - nur sehr beschränkte Projektionsmöglichkeiten, und - was ihr größter Nachteil ist - sie müssen ständig überprüft werden, um technischen Fehlern, Verschleiß und Ärger vorzubeugen. Dies mag sich in naher Zukunft ändern, aber zur Zeit ist der Museumsdirektor, der solche Medien einplant, gut beraten, sich dies zweimal zu überlegen, und beim zweiten Hinsehen wird er wahrscheinlich andere zuverlässigere Medien finden, die unsere Botschaft umsetzen können, obgleich weniger effektiv, aber umso verlässlicher.

Ich denke, wir kommen nun zu der letzten, technischen Variante, der programmierten Computerinformation, in der für gewöhnlich ein relativ begrenztes "menu" dargeboten wird als kleines didaktisches Spiel auf der Ja- oder Nein-Basis. Wer auch dies als Animation bezeichnen will, hat selbst nie so ein Ding in der Hand gehabt, hat keinen Sohn, der seine Jugend vergessen will, indem er auf kleine grüne Männer vom Mars schießt. Er hat niemals gesehen, was in einem Museum passiert, wo solche Apparate benutzt werden. Zunächst: die, die das Angebot annehmen, sind alles andere als "animiert", sie sitzen vor ihrer Tastatur und dabei bleibt es. Museumsdirektoren, die ihre Bildungsinhalte in die Form von Computerspielen übertragen haben, werden bestätigen, dass für die Jugendlichen, die damit spielen, der Spaß nicht darin besteht, herauszufinden, was die Botschaft ist. Vielmehr wollen sie den Computer in diesem Spiel schlagen, und wenn bestimmte Vorsichtsmaßnahmen nicht getroffen wurden, dann ist es die größte Freude, das Programm abstürzen zu lassen. Dieses Medium muss für den Gebrauch in Museen noch weiter entwickelt werden, als "Animateur" ist es ein vollkommener Flop.

Bevor wir nun zum Begriff "Animation" in Museen kommen, sollten wir noch kurz weitere museale Medien anreißen. Nachdem wir von so feinen und bezaubernden Dingen, wie Audiovision und Computer gehört haben, könnte es für Sie ein gewisser Niveauverlust sein, wenn Sie hören, dass attraktive Plakate als Sammelinformation (nicht so sehr in den Straßen), Museumsführer (der herzbrechenderweise dazu neigt, schon vor seiner normalen Lebensspanne antiquiert zu sein, weil wir inzwischen entschieden haben, bestimmte Ausstellungsräume eben noch attraktiver zu machen, als sie schon sind), Kataloge, Monographien über das Ausstellungsthema, bis hin zu taschenformatigen Broschüren mit Raumplänen und andere Medien als solche noch immer unübertroffen sind. Sie bieten außerdem an den Verkaufstischen eine gewisse Möglichkeit, herauszufinden, ob es Besuchergruppen gibt, die besonders an Themen, die wir so gewissenhaft ausgearbeitet haben, interessiert sind.

Indem wir für den Erstbesten bzw. zum Verkauf Material anbieten, was gesammelt werden kann, aber nie vollständig wird, geben wir die Anregung, wiederzukommen. Wir könnten mit einem gut kodierten System an Informationsbroschüren beginnen, die begleitet von weiterem attraktiven und unentbehrlichem Material, wie Farbtafeln, Dias oder Bänder einen Teil der Sammlung ausmachen und die an den Verkaufstischen angeboten werden. Die Bänder, die sowohl Tonkassetten als auch Videobänder sein könnten, bieten eine wesentliche Möglichkeit, die Museumserlebnisse in die eigenen vier Wände zu übertragen. Wir sollten für die Museumsfans Andenken bereithalten, besonders für die Jüngeren, und wiederholte Besuche sollten belohnt werden und nicht nur der 100.000ste Besucher. Dies würde allerdings bedeuten, dass persönliche Kontrollen der Besucher durchgeführt werden müssten - es könnte allerdings ein Argument dafür sein, Eintrittskarten oder Dauerausweise auszustellen.

Das effektivste Medium in einem Museum wird immer das gesprochene Wort eines kenntnisreichen und begeisterten Führers sein. Ein männlicher oder weiblicher Führer in einem Museum kann durch kein Medium ersetzt werden - und sei es noch so technisch raffiniert. Der Führer in einem Museum weiß, wenn er gut ist, instinktiv und schnell, welchen Leuten er hier gegenübersteht, wie die Gruppe auf bestimmte Dinge reagiert, die an Ort und Stelle erzählt werden können. Einem technischen Gerät würde dies niemals gelingen. Für die Besuchergruppe ist der Führer das menschliche Bindeglied zwischen einer mehr oder weniger verwirrenden Masse an Informationen, die das Museum weitergeben will, und dem Zielobjekt der Museumsbemühungen, dem Publikum.

Führer sollten deshalb sehr sorgfältig und gewissenhaft ausgebildet werden. Nichtsdestoweniger ist ein Führer ja nicht immer verfügbar und erst recht nicht für jeden einzelnen Besucher. So muss das Museumspersonal nach Ersatzmöglichkeiten suchen: z.B. könnten dies gekennzeichnete Rundwege sein, die ich wohl schon erwähnt habe, sie werden besonders von den amerikanischen Besuchern angenommen, die an solche Dinge mehr gewöhnt sind, als die Europäer.

Dann gibt es noch akustische Leitsysteme, die mit Infrarotstrahlung oder als "Bandschleifen" arbeiten. Aber dies sind alles fest installierte Sachen, die mehr oder weniger von einer passiven Haltung des Besuchers abhängig sind, die zudem angewiesen werden müssen, wie man den Führungslinien der Reihe nach folgt, um den größten Effekt dieses Mediums zu erreichen. Auch hier könnte man noch viel darüber sagen, warum bestimmte Dinge mit gewissen Personengruppen eher funktionieren als mit anderen. Dies ist jedoch nicht unser Thema.

Nun lassen Sie uns fragen, was hat das alles mit Animation im Museum zu tun?

Ich muss feststellen, dass ich es Ihnen noch schuldig bin zu erklären, wie der Begriff "Animation" aus der Sicht musealer Aktivitäten zu definieren ist. Erlauben Sie mir deshalb, Ihnen drei eng zusammenhängende Möglichkeiten zu erläutern, was Animation erreichen könnte oder sollte:

  1. sie sollte die Attraktivität des Museums erhöhen (sprich: Dies ist ein wundervoller Ort, mein Lieber, du solltest ihn auf alle Fälle sehen)

  2. sie sollte verschiedene Alterszielgruppen innerhalb des Museums geschickt beschäftigen

  3. sie sollte eine lebhafte, angeregte Vorstellung über das Museum beim Besucher auslösen, ein wenig wie in Nr. 1 (dies ist ein toller Ort, an dem ich hier bin)

Einige der Vorkommnisse eines Museumsbesuchs, die ich oben beschrieben habe, könnten schon etwas mit "Animation" zu tun haben. Alles, was den Besucher an Ort und Stelle dazu veranlasst, aktiv zu werden, Dinge auszuprobieren, oder etwas anzufassen, was reagiert (sich bewegt, aufleuchtet etc.), animiert ihn.

Wenn ich in diesem Zusammenhang an ein Sportmuseum denke, könnte ich mir viele solcher hier möglichen Aktivitäten vorstellen. Aber so ein Museum braucht auch Platz und offenes Gelände, und es braucht eine große Anzahl "Animateure".

Das Knopfdruck-Syndrom, wie man es nennen kann, und wie ich es bereits beschrieben habe, könnte man vielleicht als unterste Stufe von "Animation" bezeichnen. Der animierende Effekt ist jedoch streng darauf begrenzt, jemanden dazu zu bewegen, einen Knopf zu drücken, dann zu beobachten, was passiert, und weiterzugehen.

Der Besucher kann aufgefordert sein (auf der gleichen Stufe), Karten umzudrehen oder herauszufinden - indem er an einfachen Lerngeräten arbeitet - ob seine Meinung über diese oder jene Tatsache richtig ist oder nicht. Wenn der Besucher diese Art von Tätigkeit durchgehalten hat, könnte das Museum kleine Andenken oder Preise dafür aussetzen.

Nach all dem, kann und muss Animation zwei Wege gehen: das Ausgestellte kann "animiert" sein mit Hilfe aller technischen Erfindungen, und der Besucher kann "animierend" sein mit Hilfe visueller und emotionaler Anregungen, durch die Aufstellung von Medien, durch Farbmuster oder etwa Räumlichkeiten, die ihn neugierig machen, und die er erforschen will. Wie ich bereits gesagt habe, sind Vorrichtungen, die zu Aktivitäten auffordern sollen, ein schwieriges Unterfangen, da sie den Besucher nur in dem flüchtigen Moment handeln lassen, in dem er sich dafür entscheidet, diesen oder jenen Knopf zu drücken.

Ein Sportmuseum, das wirklich versucht, den Besucher zu animieren und aktivieren, mag in Bezug auf die Teilnahme der Besucher wahre Wunder erleben. Aber ist das nicht eine Fata Morgana? Ist es wirklich sinnvoll für die Botschaft eines Museums, die ja vermutlich darin besteht, Sportgeschichte und einzelne Sportdisziplinen zu dokumentieren, ein völlig neues Medium einzuführen, nämlich den Besucher selbst? Nimmt er in irgendeiner Weise Anteil? Museen sind doch Orte, wo Dinge bewahrt werden, und wir könnten nicht originale Kunstgegenstände aus dem Sport zu Demonstrationszwecken gebrauchen oder etwa versuchen, ein Spitzensportclub auf einer nationalen oder regionalen Tabelle zu werden.

Dennoch ist es eine verlockende Idee, dass ein Sportmuseum nicht versuchen sollte, "seriöse" und notwendigerweise passive, klassische oder Beispiele menschlicher Kreativität zu sammeln und zu sichern. Als ich begann darüber nachzudenken, was ein Sportmuseum tun sollte, war es das erste, was mir in den Sinn kam: Animation, Aktivität, Einsatz, Gruppenerlebnis, und nicht: Konservation, Geschichte, Schutz, Präsentation, Ruhe, gedämpfte Stimmen. Ich würde ein Sportmuseum insoweit als faszinierende Sache ansehen, als dass es versucht, durch die große Anzahl der sich widersprechenden Interessen einen eigenen Weg zu finden, und es könnte gar ein Ort werden, wo sowohl Geschichte und Tradition kultiviert werden, als auch ein Treffpunkt für Menschen, die Spaß haben wollen.
 

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