SPORT-Geschichte -Museum |
Deutsches Sport- und Olympiamuseum, Köln
Ein kritischer Vergleich zeigt, dass die antiken Olympien und die Olympischen Spiele der Neuzeit außer dem Namen und einigen Äußerlichkeiten (z.B. dem 4-Jahres-Rhythmus) nicht viel gemeinsam haben.
Pierre de Coubertin hat 1896 nicht eine antike Idee zu neuem Leben erweckt, wie er selbst und seine Mitstreiter immer wieder behaupteten. Sein Ziel, sportlichen Wettkampf mit Charakterschulung, Völkerverständigung und Humanität zu verbinden, war Ausdruck der Denkweise seiner Zeit. Doch warum hat Coubertin einem Weltfest des Sports einen Namen gegeben, der eine antike Tradition vorgibt? Versetzen Sie sich in die Verhältnisse des 19. Jahrhunderts und werfen Sie auch einen Blick auf die damalige "Konkurrenz" im Bereich der Leibesübungen.
Nach dem Überblick - Ursprung des olympischen Sports in Griechenland - folgt der Raum mit dem Thema "Turnen". |
Sie haben einen Sprung ins 19. Jahrhundert gemacht und befinden sich nun in einer Turnhalle. Die "Turner" stehen gerade in streng geordneter Formation und "strammer Haltung" aufgereiht. Das Individuum verschwindet dabei fast in der Gruppe. (Erst bei näherem Hinsehen finden Sie auf den Medizin-Bällen einzelne Turner und ihre persönlichen Erfahrungen wieder.)
Formalisierte Freiübungen prägten das Schulturnen (ab 1842) und verkürzten die Vorstellungen vom "Deutschen Turnen" klischeehaft. Die eindrucksvollen Massendemonstrationen bei Turnfesten (im Ausstellungsraum Bild rechts) taten ein Übriges. Tatsächlich gehörten die "volkstümlichen Übungen" Laufen, Springen, Werfen ebenso zum Übungsbetrieb der Vereine wie Turnspiele und Geräteturnen.
Im Motto der Turner "frisch, fromm, fröhlich, frei" spiegeln sich zwei neue Entwicklungen.
Leibesübungen wurden im 19. Jahrhundert zu einer organisierten Vereins- und Bürgerbewegung, die größere Bevölkerungsteile erreichte, sich eigene Regeln und Normen gab und diese auch durchsetzte. Die "Deutsche Turnerschaft" wuchs zum weltweit größten Verband seiner Art.
Eigentlich nur körperliche Übungen erfuhren eine erzieherische Sinngebung. Schon Johann Christoph Friedrich Guts Muths hatte seine "Gymnastik für die Jugend" mit pädagogischen Zielen begründet. "Turnvater" Friedrich Ludwig Jahn und seine Nachfolger wollten darüber hinaus durch das Turnen auch vaterländische Gesinnung und Wehrbereitschaft erzeugen.
Die gesellschaftlichen und politischen Bezüge des Turnens werden sehr deutlich. |
Hintergrund für diese Ziele war vor allem die sog. "Kleinstaaterei" in Deutschland (Karte vor dem Wandelpanorama). Zusammen mit Schützen, Sängern und Burschenschaften bildeten die Turnvereine Zentren der Nationalbewegung und kämpften für Demokratie und die Einheit Deutschlands.
Pädagogische Ziele verbanden auch die Begründer der modernen Olympischen Spiele mit ihrer Initiative. Die Frage nach der erzieherischen Wirksamkeit oder Vertretbarkeit des Sports bestimmt bis heute die Diskussion: Anstrengungsbereitschaft, Durchsetzungsfähigkeit, Team-Geist, Regelbewusstsein und gesunde Lebensführung sind nur einige Stichworte dieser Debatten.
Dennoch sah die Deutsche Turnerschaft in der Olympischen Bewegung einen Teil des "Sports" und damit einen Konkurrenten im Kampf um den jugendlichen Nachwuchs. Der Streit zwischen Turnen und Sport war ein ständiges Thema zwischen 1890 und 1930.
Coubertins Motto "antiker Sinn in moderner Form" sollte seiner Olympischen Bewegung eine unangreifbare historische Tradition verleihen; denn damals galt allen Gebildeten die griechische Antike als Blütezeit der Kultur.
Obwohl im Ziel der Charakterbildung noch eine gewisse Übereinstimmung mit den Turnern bestand, gab es in der Methode unüberbrückbare Gegensätze.
Turner sollten eingeordnet in die Gemeinschaft der Riege nach vielseitigem Können streben. Dies bedeutete auf herausragende Einzelleistungen zu verzichten. Genau diese waren das Ziel der Sportler. Hatte ein Turner z.B. im "Springen" eine gewisse Norm erreicht, widmete er sich dem "Werfen", später dem "Laufen". Turnerische Wettbewerbe waren zunächst stets Mannschafts-Mehrkämpfe. Nicht nur Zeiten oder Weiten zählten, sondern turnerische Haltung und Stil.
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