SPORT-Geschichte Wintersport |
Stefanie Arlt:
"Von den Nordischen Spielen über die olympischen Wintersportwettbewerbe |
Die Enstehungsgeschichte der I. Olympischen Winterspiele von Chamonix 1924 ist lang
und wurde von zahlreichen Schwierigkeiten und Problemen begleitet.
Bereits 1894, als die Wiederbelebung der Olympischen Spiele beschlossen wurde,
kam der Gedanke an die Durchführung von Wintersportwettbewerben auf.
Diese wurden dann auch im Rahmen der Olympischen Spiele von London und Antwerpen durchgeführt.
Zu einer Öffnung des Sportartenkanons in bezug auf weitere Wintersportdisziplinen kam es jedoch vorerst nicht.
Wegen der Ressentiments, die vor allem skandinavische Offizielle gegen die Einführung Olympischer Winterspiele hegten,
dauerte es noch 30 Jahre,
bis im Jahr 1924 die erste internationale Wintersportwoche im französischen Chamonix durchgeführt wurde.
Vor allem Norweger und Schweden sahen in einem olympischen Wintersportwettbewerb
eine starke und bedrohliche Konkurrenz für die Durchführung ihrer Nordischen Spiele.
Nachdem, durch einen personellen Wechsel im Nationalen Olympischen Komitee von Schweden,
eine weitestgehend liberale Haltung gegenüber einer Veranstaltung mit internationalen Wintersportwettbewerben,
fern der nordeuropäischen Länder, entstanden war,
stand der Durchführung der Wintersportwoche prinzipiell nichts mehr im Wege.
Die Wahl fiel auf Chamonix, die Wintersportstation am Fuße des Mont Blanc,
aufgrund der dort vorherrschenden klimatischen Bedingungen,
der für diese Zeit recht entwickelten infrastrukturellen Ausstattung und der Anbindung an das Schienennezt der P.L.M..
In Chamonix wurden bereits vor der ersten Internationalen Wintersportwoche
im Jahre 1924 Wintersportwochen durchgeführt,
die allerdings ebensowenig als direkter Vorgänger der Olympischen Winterspiele angesehen werden können
wie die Nordischen Spiele in Stockholm und Kristiania.
Vielmehr kann man diese Veranstaltungen als Wegweiser ansehen,
die in gewisser Weise als Ideengeber und Leitbild für die späteren Olympischen Winterspiele dienten.
Zu beachten ist hierbei allerdings, daß im Rahmen der Nordischen Spiele und der Wintersportwochen in Frankreich
nicht annähernd so viele Athleten unterschiedlichster Nationalitäten am Start waren.
In Chamonix selbst fanden zwar vorher bereits zahlreiche Wintersportwochen statt,
aber es gab auch ähnliche Sportveranstaltungen an anderen Orten Frankreichs.
Bis zum Jahre 1924 wurden die Wettbewerbe beispielsweise in sieben unterschiedlichen Skistationen Frankreichs ausgetragen,
was einen Beleg dafür gibt,
daß man Chamonix nicht als expliziten Ursprung der Internationalen Wintersportwoche ansehen kann.
Die gesamte Organisation und die Wettbewerbe an sich verliefen bis auf einige wenige Zwischenfälle
planmäßig. Das führte dazu,
daß die Veranstaltung fast ausnahmslos als gelungen und richtungweisend
für die weitere Entwicklung der Olympischen Winterspiele angesehen wurde und wird.
Auch bei verschiedenen Offiziellen der Internationalen Olympischen Komitees
bewirkten die Wettkämpfe von Chamonix ein Umdenken, was anhand des nachfolgenden Zitates deutlich wird:
"Die Wintersports wurden 1894 in die Charte der Olympischen Spiele aufgenommen
und zwar als gleichberechtigt mit den übrigen Sports und von diesem Zeitpunkt
bin ich unermüdlich tätig geblieben die praktische Aufnahme im
Programm der Olympischen Spiele durchzuführen.
Jedoch habe ich die zu überwindenden Schwierigkeiten keinesfalls unterschätzt.
Mein einziger Wunsch war, dass es mir gelingen könnte.
Endlich konnte in 1908 in London der Eissport, mangels Schneesport, auf glänzende Art ausgeübt werden.
In Stockholm mussten diese Sports ausfallen,
da hier nicht über einen Eispalast verfügt werden konnte und man von einem abgesonderten Olympischen Zyclus
nichts wissen wollte. Diese Gesinnung war in 1924 sogar so stark, dass Norwegen mit Enthaltung drohte.
Die Winterspiele in Chamonix wurden durch unsere nördlichen Freunde dann auch nur geduldet,
solange dieselben nicht als "Olympisch" bezeichnet wurden.
Um also jetzt von einem "unverständlichen Ausschluss" zu sprechen ist doch etwas allzu stark.
|
COUBERTIN, P. de: Olympische Winterspiele. In: Bulletin du Bureau permanent des Fédérations Internationales Sportives 29.12.1926, o. Seitenangabe. |
Für Chamonix selbst bedeuteten die Wettbewerbe auf den ersten Blick in finanzieller Hinsicht eine Katastrophe,
da ein Großteil der entstandenen Kosten von der Gemeinde selbst getragen werden mußte.
Im Nachhinein kann die Durchführung der ersten Olympischen Winterspiele für Chamonix jedoch als Glücksfall
angesehen werden. Durch die Wettbewerbe wurde ein enorm positiver Werbetransfer erreicht,
der in den folgenden Jahren bis zum Zweiten Weltkrieg zu einem kontinuierlichen Anstieg der Besucherzahlen führte,
wobei sich die Besucherzahlen in den Vorkriegsjahren auf einem relativ hohen Niveau stabilisierten.
Durch die nachträgliche Anerkennung der ersten Internationalen Wintersportwoche als
I. Olympische Winterspiele wurde die Bedeutung der Veranstaltung von Chamonix im Hinblick auf die olympische Entwicklung
aufgewertet.
Chamonix kann als idealer Ausgangspunkt für den weiteren Fortgang der Olympischen Winterspiele angesehen werden.
In den nachfolgenden Jahren und Jahrzehnten konnten die Olympischen Winterspiele weiterhin an Renommee hinzugewinnen
und heute stehen sie fast auf einer Stufe mit den Sommerspielen.
Lediglich die Teilnehmerzahlen sind geringer als bei den Olympischen Sommerspielen,
aber das Medieninteresse und die Bedeutung der Wettbewerbe für die olympische Familie sind nicht erst
seit den begeisternden und richtungsweisenden Olympischen Winterspielen von Lillehammer 1994 bekannt.
Das Literatur- und Quellenverzeichnis dieser Staatsexamensarbeit von Stefanie Arlt kann bei Bedarf bei der
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