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Die Progressive Muskelentspannung ist ein leicht erlern- und durchführbares Verfahren zur Entspannung. In der Schule wie auch im Alltag zu Hause kann sie von Lehrern und Schülern eingesetzt werden, um Anspannung ab- und Entspannung aufzubauen! 3- bis 4-malig ca. 10 Sekunden maximale Anspannung einzelner Muskeln (von der Gesichtsmuskulatur bis zu den Zehen!) und nach jeder Anspannung direkt anschließende völlige Entspannung derselben Muskeln bringt körperliche und seelische Entspannung, die man in Gruppen oder allein gezielt auch in Situationen erreichen kann (Unterricht, vor den Hausaufgaben usw.), die sonst unnötig durch Stress gekennzeichnet sind.

Die Progressive Muskelrelaxation

Entspannungsverfahren

Was versteht man unter Entspannungsverfahren?

Es gibt unterschiedliche Verfahren, die zu Entspannung führen sollen. Die bekanntesten Verfahren sind das Autogene Training, die Progressive Muskelrelaxation, geistig-meditative Übungen, Yoga, Tai Chi Chuan und Chi Gong. Im Wesentlichen unterscheiden sich diese Verfahren in der Zielsetzung und in der Ausübung. Bei den geistig-meditativen Übungen steht die Bewusstseinserweiterung und letztendlich Auflösung und Befreiung von der Körperlichkeit im Vordergrund. Hierbei auftretende Entspannungsempfindungen sind Nebenprodukte der Verfahren.

Yoga stellt ein sehr altes Verfahren dar. Wie Felsmalereien und Funde von Figuren in Yoga-Stellungen belegen, wird es in Indien bereits seit Jahrtausenden praktiziert. Schriftlich belegt ist Yoga jedoch erst seit dem 2. Jahrhundert v. Chr., als der indische Gelehrte Patanjali die bis heute gültigen Yoga Regeln in 195 Lehrsätzen festlegte. Es gibt sehr viele unterschiedliche Yoga-Wege, wobei Hatha-Yoga die größte Verbreitung gefunden hat. Hierbei werden verschiedene Körperhaltungen eingenommen und gehalten. Danach wird langsam wieder die Ausgangsposition eingenommen. Das Halten dieser Positionen ist sehr schwierig und erfordert ein hohes Maß an Körperbeherrschung. Über die Kunst dieser Körperbeherrschung soll eine Kontrolle der Gedanken und ein harmonisches Zusammenspiel körperlicher, seelischer und geistiger Energien erreicht werden.

Chi Gong und Tai Chi Chuan (auch: Tai Ji Quari) sind ebenfalls alte, jedoch aus China stammende Methoden. Bei beiden Methoden werden sanfte, von jeder Anstrengung befreite, harmonische Bewegungen durchgeführt. Wann und durch wen Tai Chi Chuan entwickelt wurde, ist letztlich unklar. Als gesichert gelten kann jedoch, dass Tai Chi Chuan bis ins letzte Jahrhundert eine geheime Kampfkunst war, die innerhalb einer Familie weitergegeben wurde. Um den kämpferischen Aspekt wegfallen zu lassen (Quan: Faust), wird häufig nur noch von Tai Chi gesprochen. Allen vorgenannten Verfahren ist gemeinsam, dass der Übende eine relativ lange Zeit benötigt, um die Übungen zu beherrschen.

Bei Entspannungsverfahren im engeren Sinn wird die Regulation der Körpersysteme angestrebt. Dies ist als Vorbeugung vor Erkrankungen sinnvoll, aber auch als Krankheits- und Stressbewältigung. Das im deutschsprachigen Raum bekannteste Verfahren stellt das von dem Berliner Psychiater Johann Heinrich Schultz (1884-1970) entwickelte Autogene Training dar. In diesem Verfahren wird mit "passiver Konzentriertheit" und Autosuggestion Einfluss auf die Körperregulation genommen. Für das Erlernen des Autogenen Trainings werden ca. 2 Monate benötigt. Das Verfahren ist insgesamt sehr gut untersucht und hat breite Anerkennung gefunden.

Progressive Muskelrelaxation hingegen hat sich hauptsächlich in den Vereinigten Staaten etabliert. Das Verfahren wurde von Edmund Jacobson (1885-1976) entwickelt. Es handelt sich um ein aktives Verfahren, bei dem durch Anspannung der Hauptmuskelgruppen und nachfolgender Entspannung dieser Muskeln die Körperwahrnehmung gesteigert wird. Zumindest während der Lernphase wird auf bewusste Suggestion verzichtet. Auch hiermit wird letztlich eine Regulation aller Körpersysteme erreicht. Insgesamt wurden zur Progressiven Muskelrelaxation mehr als 3000 wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt. Allein Edmund Jacobson veröffentlichte bis zu seinem Tode 60 wissenschaftliche Arbeiten und gab 3 Bücher zu diesem Thema heraus. Hervorzuheben ist die sehr schnelle und relativ einfache Erlernbarkeit dieser Methode. So waren beiden meisten wissenschaftlichen Untersuchungen bereits nach zwei Wochen Effekte nachweisbar.

Welches Entspannungsverfahren ist am besten geeignet?

Es kann davon ausgegangen werden, dass alle Entspannungsverfahren, wenn sie in der richtigen Form ausgeübt werden, positive Wirkungen besitzen. Das Spektrum unerwünschter Wirkungen ist insgesamt sehr gering. Entspannungsverfahren müssen, wenn sie wirkungsvoll sein wollen, jedoch regelmäßig, d.h. im allgemeinen mindestens einmal täglich, ausgeführt werden. Wissenschaftlich am besten untersucht sind sicherlich das Autogene Training und die Progressive Muskelrelaxation. Tai Chi Chuan und Chi Gong sind im Vergleich zum Autogenen Training und zur Progressiven Muskelrelaxation schwieriger erlernbar und schlechter in den Alltag zu integrieren. Ein großer Vorteil der Progressiven Relaxation stellt die leichte und schnelle Erlernbarkeit dar, so dass auch Erfolge schnell spürbar sind. Patienten, die dieses Verfahren beherrschen, können darüber hinaus das Autogene Training leichter erlernen. Für beide Verfahren spricht die gute Übertragbarkeit in Alltagsbedingungen, d.h. die Verfahren, insbesondere die verkürzten Verfahren der Muskelrelaxation, sind auch in Stresssituationen direkt einsetzbar.

Wer war Edmund Jacobson?

Edmund Jacobson begann 1908 an der Harvard Universität seine Forschungen. Ab 1936 war er Chefarzt an einer Klinik für Innere Medizin und leitete das Institut für klinische Physiologie. Beschrieben wird, dass der Vater Jacobsons ein ruhiger und gelassener Mensch gewesen sein soll. Nach einem Hausbrand, bei welchem ein Freund des Hauses verstarb, wurde er zu einem nervösen und gereizten Menschen. Möglicherweise weckte diese Veränderung das Interesse Jacobsons an seelischen Störungen und deren Behandlungsmöglichkeiten. So zitiert er in einer Veröffentlichung den französischen Arzt Laroussinie, der bereits vor dem ersten Weltkrieg auf eine weltweite Zunahme nervöser Störungen aufmerksam machte. Als Ursache sah Laroussinie "die für die moderne Zivilisation typische Gemütsverfassung" an.

Bereits Jacobson beschrieb somit die Auswirkungen psychischer (seelischer) Belastungen auf die körperliche (somatische) Befindlichkeit. Er ging jedoch noch einen Schritt weiter: Er erkannte, dass psychische Belastung sich in körperlicher Anspannung äußert und versuchte nachzuweisen, dass durch vollständige körperliche Entspannung (Muskelrelaxation) eine Beeinflussung des Zentralnervensystems im Sinne von Ruhe und Entspannung möglich ist. Diese Wechselwirkung zwischen Seele und Körper, die sogenannte "Psychosomatik", ist ein heute viel diskutierter, in nahezu alle medizinischen Bereiche eindringender Begriff.

Heutiges Haupteinsatzgebiet der Progressiven Relaxation: Stress - bzw. stressbedingte Erkrankungen. Heute wissen wir, dass permanente psychische Überbelastungen zu weitreichenden körperlichen Störungen führen können. Spätestens seit Frederik Vespers Buch "Phänomen Stress" ist dieser Begriff in aller Munde und wird zum Teil auch recht unkritisch verwendet, so dass es sich lohnt, dieses Phänomen etwas genauer zu betrachten: Stress stellt eine sehr gesunde, lebensnotwendige Reaktion auf eine bedrohliche Situation dar, die den Körper kampf- und fluchtbereit macht. Dieser Vorgang wird durch das Nervensystem gesteuert und geht mit der Ausschüttung von sogenannten Stresshormonen (Adrenalin, Noradrenalin, Cortison) einher. Die Ausschüttung dieser Hormone führt zur Stressreaktion, die in verschiedenen Phasen abläuft:

  1. Schrecksekunde

  2. Kampf- und Fluchtphase

  3. Erholungsphase

Diese Stressreaktion ist zumindest zum Teil spürbar und führt im Wesentlichen zu:

Dem Körper werden somit in der Gefahrensituation alle erforderlichen Energiereserven zur Verfügung gestellt. Ist die Gefahrensituation beendet oder bewältigt, kommt es zu nachfolgender Entspannung.

Solange Stresssituationen und Entspannungsphasen im Gleichgewicht stehen, befindet sich auch der Mensch im seelischen Gleichgewicht. Folgen jedoch die Stresssituationen so eng aufeinander, dass keine ausreichende Entspannung mehr erreicht werden kann, oder aber sind die Stresssituationen so stark ausgeprägt, dass kein normales Entspannungsniveau mehr erreicht werden kann, kommt es zu den Zeichen körperlicher und seelischer Erschöpfung:

Wenn zugrundeliegende körperliche Erkrankungen ausgeschlossen wurden, deuten obige Symptome auf eine seelisch-körperliche Erschöpfung hin, die bei weiterer permanenter Überlastung zu schwereren Erkrankungen führen kann (depressive Verstimmungen, Herz- Kreislauf - Erkrankungen, Krankheitsanfälligkeit etc.).

"Abschalten" ist in diesem Fall das Wichtigste!

 
Aus: "Orthopress", Dr. med. Gabriele Bayer 4/97, S. 46ff


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