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Feldenkrais

Bewusst bewegen

Wir laufen, sitzen und stehen, ohne groß nachzudenken. Feldenkrais-Schüler sollen lernen, diese Bewegungsabläufe bewusst wahrzunehmen und wenn nötig zu verändern

"Wie du kommst gegangen, so wirst du auch empfangen." So lautet ein altes Sprichwort. Auf Feldenkrais wollte es bestimmt nicht anspielen. Trotzdem passt der Spruch auf die von dem Kernphysiker und Judomeister Moshe Feldenkrais in den 50er Jahren entwickelte Methode.

Bewegung verstand der 1904 geborene Forscher als Ausdruck der Persönlichkeit. Allein sein Gang kann einen Menschen unverwechselbar machen und viel über seine Person verraten. Wie dabei ein Fuß vor den anderen wandert, wie sich Arme und der Kopf dazu bewegen, ist dem Betreffenden in der Regel nicht bewusst. Das Gehen gleicht vielmehr einem individuellen Reflex.

Im Lauf des Lebens stapeln sich viele solcher Bewegungsmuster in unserem Körpergedächtnis: Wir fahren Rad, legen uns zum Schlafen hin, führen die Gabel zum Mund oder stehen in einer charakteristischen Art und Weise von einem Stuhl auf. Das fein abgestimmte Zusammenspiel von Nervensystem, Muskeln und Skelett hat sich in vielen Jahren automatisiert und läuft ab, ohne dass wir nachdenken müssen. Das Gehirn koordiniert dabei die Spannung der Muskeln, die Stellung der Gelenke und die Informationen, die ihm Augen und Ohren, Tast- und Gleichgewichtssinn übermitteln.

Die geniale Lernfähigkeit des Körpers hat aber auch ihre Schattenseite. Denn der Organismus erlernt und speichert auch Gestik, Haltungsmuster und Bewegungsabläufe, die dem Körper schaden können. Menschen mit chronischen Rückenbeschwerden nehmen zum Beispiel häufig Schonhaltungen ein, um dem Schmerz auszuweichen. Dies kann jedoch neue chronische Muskelverspannungen provozieren.

"Feldenkrais ist ein Weg, diese dem Körper oft schädlichen Gewohnheiten zu durchleuchten und allmählich zu verändern", erklärt Sascha Neff, der seit einigen Jahren als Feldenkraislehrer unterrichtet. Einzeln oder zusammen mit anderen lernen die Teilnehmer in seinen Kursen so alltägliche Dinge wie Greifen, Bücken, Sitzen oder Gehen neu zu erspüren. "Der Schüler soll sich die Vielzahl der möglichen Varianten bewusst machen, wie er diese einfachen Bewegungen ausführen kann."

Richtig oder falsch gibt es nicht. Es geht zunächst darum, seine eigenen Bewegungsmuster langsam, aufmerksam und Zug um Zug zu erforschen. Deshalb geben Feldenkraislehrer ihren Schülern auch kein standardisiertes Trainingsprogramm auf, das sie einmal am Tag eine halbe Stunde absolvieren müssen. Die Arbeit macht eigentlich der Schüler. Der Lehrer unterstützt und leitet ihn an, hilft mit erklärenden Worten oder manchmal mit sanften Handgriffen.

Ins Schwitzen kommen die Schüler selten. Wichtig ist, dass alle Lektionen leicht, behutsam und ohne Anstrengung erfolgen. Sich sportlich betätigen ist etwas anderes. Sportanzug ist deshalb auch kein Muss. Legere Kleidung genügt.

Schnelle Ergebnisse darf niemand erwarten. Die Feldenkrais-Methode erfordert Geduld. "Das Gehirn speichert das andersartige Zusammenspiel von Muskeln und Nerven erst allmählich", erläutert der Feldenkraisexperte. Was dabei passiert, hat der Heilpraktiker Uwe Steinbauer in einem Zeitungsartikel über Körperarbeit einmal so formuliert: "Der Körper kann sich anders bewegen, weil der Geist etwas anderes gefühlt hat."

Nachgefragt

Ist Feldenkrais nur etwas für Menschen, die Rückenprobleme haben?

Die Feldenkrais-Methode deckt gewohnheitsmäßige Verhaltensweisen auf, die für chronische Verspannungen verantwortlich sind, und verändert sie. Das gilt für Verspannungen am Rücken und dem gesamten Bewegungsapparat.

Mit dem Lernansatz lassen sich aber auch die Ausdrucksfähigkeiten von Sportlern, Musikern oder Tänzern verbessern. Genauso geeignet ist Feldenkrais für Gesunde, die beweglich bleiben wollen und ihr Repertoire an Bewegungsmöglichkeiten erweitern möchten.

Warum ist es sinnvoll, sich von einem Lehrer anleiten zu lassen?

Jeder Feldenkraislehrer muss eine vierjährige Ausbildung bei der Feldenkraisgilde absolviert haben. Dabei lernt er die funktionalen Zusammenhänge im Körper kennen und spürt die Veränderungen durch die Methode am eigenen Leib. Der Lehrer weiß deshalb, worauf zu achten ist. Wichtig ist außerdem, dass der Schüler sich bei seinem Lehrer wohl fühlt. Sich die Methode nur aus Büchern selbst beibringen zu wollen, würde ich nicht empfehlen.

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten?

Leider in aller Regel nicht, obwohl die Methode sicher hilft, viele Folgeschäden durch Verspannungen zu vermeiden.
 

Aus: Apotheken-Umschau, 15.2.1999, S. 52ff


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