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Sportgeschichte: Zur Wahl des neuen DFB-Präsidenten
(Kölner Stadt-Anzeiger, 27.4.01)
Von der Gründung bis zur Gleichschaltung
Das neugeborene Baby, das war den Anwesenden klar, brauchte einen
erfahrenen Vater: Als sich der Deutsche Fußball-Bund am 28. Januar 1900
in Leipzig konstituierte, da erschien das älteste aller Gründungsmitglieder
als Ideallösung, den Verband zu führen. Alle anderen erschienen zu
jung; Walther Bensemann beispielsweise, der spätere Gründer des
"Kicker", war Jahrgang 1873. Nur der 47-jährige Ferdinand
Hueppe, der an der Prager Karls-Universität Hygiene lehrte, brachte
alles mit, was ein Präsident damals brauchte. Bereits 1865 hatte Hueppe
in Neuwied mit Engländern Fußball gespielt.
Und als anerkannter Wissenschaftler verfügte er über beste
Verbindungen, um die junge Sportart dorthin zu bringen, wo sie hin
musste, wenn sie populär werden wollte: In die Schule und in das Militär.
In Zeiten, als das Deutsche Turnen noch die Leibesübungen beherrschte,
kein leichtes Unterfangen. Aber Hueppe war vom Fußball, auch wenn der
aus dem politisch verhassten England stammte, überzeugt. In den
Turnvereinen sah Anti-Alkoholiker Hueppe nur organisierte
Saufgemeinschaften. Ferdinand Goetz, der Turnvorsitzende, forderte ihn
daraufhin zum Duell.
Als Hueppe 1904 abtreten musste, weil die Fifa-Statuten einen Ausländer
als Verbandspräsidenten nicht duldeten, da hatte er die notwendige
Aufbauarbeit geleistet. Unter seiner Führung wurde die Struktur
festgelegt, außerdem gab es jetzt klare Regeln. Aber der DFB war noch
keine Massenorganisation, das machten 9317 Mitglieder in 194 Vereinen
deutlich. Und mit den Regionalverbänden gab es Kompetenzstreitigkeiten.
Friedrich-Wilhelm Nohe, der Nachfolger Hueppes, war deren
Personifizierung. Der Wiesbadener blieb aus diesen Gründen nur ein Jahr
im Amt: Des Gerangels überdrüssig, trat er ein für regionale Fußballstrukturen.
Den DFB wollte er einfach auflösen.
Erst unter Gottfried Hinze, der noch als Präsident das Tor des
Duisburger SV hütete, sollte wieder Ruhe einkehren. Er sorgte nicht nur
für die Integration des westdeutschen Fußballverbandes in den DFB,
sondern auch für die Umsetzung des frühen Plans: Nach zähen
Verhandlungen wurde Fußball 1908 unter der Abteilung "Leibesübungen"
in den militärischen Kanon eingeführt. Das war wichtig für die
damalige Randsportart, und an der Front des Ersten Weltkrieges
entwickelte sich Fußball flugs zum beliebtesten Sport.
Unter Hinzes behutsamer Führung wurde Fußball das Spiel der Massen:
Als der DFB-Chef 1925 beim Jubiläumstag nicht wieder kandidierte, da
hatte der DFB fast eine Million Mitglieder. Zwanzig Jahre lang hatte der
erfolgreiche Kaufmann Hinze dem DFB immer wieder aus der chronischen
Finanzmisere geholfen. Das DFB-Jahrbuch 1930 sagte dazu aus, Hinze habe
"beträchtliche Teile seines Vermögens gegeben, wenn das Schiff
flottgemacht werden musste."
Sein nationalkonservativer Nachfolger Felix Linnemann war von anderem
Schlag. Der Kriminalrat galt als sportpolitischer Fuchs und war schon
seit 1919, als ihn der deutsche Fußball zum 2. DFB-Vorsitzenden wählte,
der geistige Kopf des Verbands. Unter dem Verfechter des Amateurprinzips
vollzog sich der umstrittene Übergang des DFB in das "Dritte
Reich".
"Wir waren früher ein Verband, der sich auf dem alten Recht gegründet
hat und sich liberalistisch aufbaute. Heute haben wir die selbstverständliche
Pflicht, von diesem Wege abzugehen und die vom Staat ganz neu gestellte
Ordnung, das Prinzip der Führerschaft, zu übernehmen", erläuterte
Linnemann während des DFB-Bundestages im Juni 1933 die Situation. Das
war nichts weniger als die Auflösung des DFB im Zuge der
"Gleichschaltung" des deutschen Sports. 28 Minuten später war
die gespenstische Tagung beendet - "mit einem »Sieg Heil« auf den
Volkskanzler."
Der Bundesführer des DFB, der da bereits über engen Kontakt zum neuen
"Reichssportführer" verfügte, war also offenbar schnell auf
Linie. Mit allen Konsequenzen: Juden waren fortan auch im Fußball
unerwünscht,
so dass etwa der Vereinspräsident des "Judenklubs" FC Bayern
München weichen musste. Aber besaß Linnemann überhaupt Möglichkeiten,
all dies zu verhindern? Hätte ein anderer Funktionär dem
entgegengewirkt? Vieles deutet darauf hin, dass Linnemann im Kraftfeld
der "nationalen Erhebung" nur wenig Spielraum besaß. Und doch
ist für diese Phase die Handschrift des Präsidenten zu erkennen. Denn
der DFB gehörte nicht zu den ersten Verbänden, die sich zum
Nationalsozialismus bekannten.
Im Gegenteil: Der DFB wurde sogar von vielen Süd-Vereinen für seine
passive Haltung kritisiert. Diese hatten schon Anfang April 1933 die
Einführung des "Arier-Paragraphen" verlangt, und dass jüdische
Berichterstatter von den Spielen wegbleiben sollten. Noch bis 1938
konnte Linnemann den Schein der Selbstständigkeit des deutschen Fußballs
wahren, denn das erschien dem NS-Sport im Vorfeld der
Propaganda-Veranstaltung Olympia 1936 opportun.
Ein Streit mit der hohen SS-Charge Heydrich indes machte deutlich,
welchen Stellenwert der "Fachamtsleiter Fußball" wirklich
besaß: 1937 wurde Linnemann einfach in die Provinz nach Stettin
versetzt. Ein Beleg dafür, dass die Funktionäre nur noch als
Marionetten funktionierten.
Der erste DFB-Präsident nach dem Zweiten Weltkrieg, der Kölner
Bauunternehmer Peco Bauwens, war das, was man heute einen "Networker"
nennt.
In den 1920er Jahren einer der besten Schiedsrichter der Welt,
bekleidete er seitdem Ämter im DFB und im Weltverband. Das prädestinierte
Bauwens für das Spitzenamt, und seine "unbelastete"
Vergangenheit:
Er war zwar 1933 in die "Partei" eingetreten, ein Jahr darauf
jedoch wegen seiner jüdischen Frau ausgeschlossen worden. Und tatsächlich
gelang die Integration des DFB in den Weltfußball recht schnell.
Die Rede im überfüllten Münchner Löwenbräukeller jedoch, die
Bauwens anlässlich des WM-Triumphs 1954 hielt, hätte er besser
unterlassen. Für ihn war Bern mehr als nur ein sportlicher Sieg, nämlich
Ausdruck, "dass es Schlacken auf dem Sport und dem deutschen Volk
nicht mehr geben kann".
Als Bauwens als kollektives Leitmotiv der Fritz-Walter-Truppe auch
noch das "Führerprinzip" ausmachte, beendete der Bayerische
Rundfunk vorzeitig die Live-Übertragung und bot stattdessen Tanzmusik.
Bauwens folgte, bemerkte ein Zeitgenosse, dem wohl übermächtigen
inneren Drang, "alle peinlichen Erinnerungen mit einem Ruck abzuschütteln,
alle Vorsicht und Rücksicht endlich einmal aus Herzenslust
abzuwerfen". Indes, das machte auch der besonnene Bundespräsident
Theodor Heuss klar, der DFB-Repräsentant stand mit dieser Ausdeutung
des Sieges ziemlich allein.
Nicht der erste sportpolitische Fauxpas des Kölners:
Bereits vor Gründung der BRD
- ein Verstoß gegen geltendes Besatzungsrecht -
hatte Bauwens nämlich die Wiedergründung des DFB initiiert.
Aus seiner Sicht war die Aktion nötig geworden, um den DFB als
Institution zu erhalten, schließlich drohte damals eine
"feindliche Übernahme" durch demokratisch legitimierte
Landessportbünde. Bauwens' Strategie ging auf; ohne ihn wäre der DFB
nicht zur Zentralgewalt des deutschen Fußballs geworden.
Sein Erbe, der Osnabrücker Rechtsanwalt Hermann Gößmann, war der
Gegenentwurf zum charismatischen Kölner. Er, der lieber im Verborgenen
arbeitete, unterließ solche nationalistischen Eskapaden vielleicht
schon deshalb, weil er, wie die "Süddeutsche Zeitung" einmal
sarkastisch schrieb, "Redetexte, die wesentlich über den
Schlachtruf 'hipp, hipp, hurra' hinausgingen, nicht so gut behalten
konnte".
Aber vielleicht brauchte der Fußball damals einen eher technokratischen
Typ, mit der Einführung der Fußball-Bundesliga 1963 war ja schließlich
der endgültige Aufbruch in das Profitum zu bewältigen.
Gößmann war indes nicht immer in der Lage, dem DFB die richtigen
Strukturen zu verpassen - der Bundesliga-Skandal und die Streitigkeiten
um die Trikotwerbung mögen als Beispiele dienen.
Die Kommerzialisierung des Fußballs hatte dagegen Hermann Neuberger für
den DFB genutzt, darüber waren sich alle Beobachter einig, als der
Saarländer 1992 starb:
Egal wie man zur "Inkarnation der drei Großbuchstaben DFB"
auch stand, attestieren mussten alle, dass der DFB zu einem blühenden
Wirtschaftsunternehmen geworden war.
Auch die Fifa, für die der gelernte Journalist von 1974 bis 1990 alle
WM-Turniere organisierte, profitierte von seiner Geschäftstüchtigkeit.
Politische Haltung und Umgangsformen waren dagegen umstritten. Nicht nur
die "taz" kritisierte, Neuberger sei "selbstherrlich und
oft rüde zu seinen Untergebenen gewesen".
Außerdem seinen "Hang zum Militär"; eine Anspielung auf sein
Verhalten bei der WM 1978, bei der er der argentinischen Junta
"preußische Gründlichkeit" bescheinigt und außerdem den
Besuch von Oberst Rudel im deutschen Quartier Ascochinga zugelassen
hatte, wodurch er in der Heimat einen Sturm der Entrüstung hervorrief.
Während Neuberger noch mit eiserner Hand regierte, musste Egidius Braun
den Ambitionen der Profi-Mannschaften Rechnung tragen. Der neue
Liga-Verband ist Zeugnis davon, dass Bayern, Dortmund und Co. eines nun
nicht mehr akzeptieren:
Dass der DFB, der sich als Verband der Amateure bezeichnet, die
wirtschaftlichen Belange für die Profivereine regelt. Was bleibt, ist
das Flaggschiff Nationalmannschaft, die Amateurvereine und die
Gerichtsbarkeit. Das alles allerdings verteidigte Braun energisch.
Als Beckenbauer und Hoeneß einmal das Ende der Nationalelf
prophezeiten, forderte Braun, die Nationalmannschaften müssten als ein
"Stück Kultur und Identität der einzelnen Länder erhalten
werden". Eine berechtigte Forderung in Zeiten, da der DFB mit über
sechs Millionen Mitgliedern zur Massenorganisation avanciert war.
Der Aachener hat sich ohnehin mehr als Sozialarbeiter verstanden, der
den "Fußball als gesellschaftspolitische Bewegung" nutzte, um
Projekte wie die Mexiko-Hilfe zu unterstützen und die Jugendarbeit zu
intensivieren.
Brauns Motto - "Fußball ist mehr als ein 1:0" - steht dafür als Symbol.
siehe auch netSCHOOL Aktuelles, April 2001:
Der Fußballbund verabschiedet Egidius Braun |
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