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Einführung
In dem folgenden wissenschaftlich formulierten Text geht es darum,
die Vorgehensweise der Gruppenpsychotherapie im Göttinger Modell zu erklären.
Vereinfacht ausgedrückt soll deutlich werden,
dass es einen Zusammenhang zwischen der seelischen Situation jedes Einzelnen und der Art
und Möglichkeit der Verständigung mit anderen Einzelnen in einer Gruppensituation gibt.
Dabei sind einerseits die (meist) unbewussten Prägungen jedes Einzelnen
und andererseits gesellschaftliche und zwischenmenschliche Beeinflussungen von Bedeutung
für den Erfolg der Verständigung.
Mit Hilfe der Psychoanalyse werden also unbewusste,
oft frühkindlich entstandene, seelische Ursachen für das Verhalten
und die Verständigung in einer Gruppe herausgefunden,
um dann in einer Gruppentherapie falsche und schädliche Verhaltensweisen,
die vom Einzelnen und von gruppendynamischen Vorgängen beeinflusst werden, zu erkennen und abzubauen.
Im Göttinger Modell der Gruppenpsychotherapie wird der sozialen, interaktiven Dimension von therapeutischen Gruppen,
dem Kontext „Gruppe“ und damit dem Zusammenhang von unbewussten seelischen Prozessen
und seelischen Verhältnissen des Einzelnen und Verständigung zwischen Mehreren
in besonderem Maße Rechnung getragen.
Bei der Anwendung der Psychoanalyse in Gruppen nach dem Göttinger Modell
werden psychoanalytische Erkenntnisse und Erfahrungen individueller und kollektiver unbewusster Prozesse
mit sozialpsychologischen Erkenntnissen und Erfahrungen sozialer und interpersoneller Prozesse zusammengeführt.
Die gruppenpsychotherapeutischen Verfahren des Göttinger Modells, die unsere Arbeitsgemeinschaft vermittelt,
werden zwar vor allem im klinischen Bereich angewendet
und haben sich in der stationären, teilstationären und ambulanten Behandlung von Patientinnen und Patienten
seit vielen Jahren bewährt;
die ihnen zugrundeliegenden gruppenanalytischen Theorien und Methoden haben darüber hinaus aber auch in Beratung,
Didaktik und Seelsorge, in Teamsupervision und Institutions- und Organisationsberatung Eingang gefunden.
In der analytischen Gruppenpsychotherapie werden Übertragungs- und Gegenübertragungsprozesse bearbeitet.
Sie betreffen den Therapeuten bzw. die Therapeutin, die Gruppe als Ganzes, Untergruppen und einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Regression wird hier gefördert,
damit die infantilen Anteile der Beziehungen manifest werden und direkt bearbeitet werden können.
Gruppenspezifische Abwehrformen, die sich als Widerstände in Gruppennormen und in psychosozialen Kompromissbildungen zeigen,
werden angesprochen, geklärt und gedeutet.
In der klinischen Anwendung eignet sich das Verfahren für Gruppentherapeutinnen und Gruppentherapeuten,
die eine psychoanalytische Ausbildung begonnen oder abgeschlossen haben und denen der Umgang mit tieferer Regression vertraut ist.
Es erleichtert aber auch das Verständnis von regressiven Gruppenprozessen im außertherapeutischen sozialen Feld.
Diese gruppenpsychotherapeutische Methode konzentriert sich auf eine Ebene mittlerer Regressionstiefe,
auf der sich psychosoziale Konfliktmuster (sog. abgeleitete Konflikte)
und die dazugehörigen psychosozialen Kompromissbildungen darstellen.
Regression wird in dieser Anwendung der Psychoanalyse in Gruppen weniger gefördert
als in der analytischen Gruppenpsychotherapie.
Die abgeleiteten Konflikte und psychosozialen Kompromissbildungen stellen sich ähnlich auch im Alltag
der Teilnehmerinnen und Teilnehmer dar.
Die Methode eignet sich zur Behandlung von Charakterneurosen jener Patientinnen und Patienten,
die in ihrer inneren Welt über reifere Objektbilder verfügen.
Die psychoanalytisch-interaktionelle Methode wurde für Patientinnen und Patienten
mit sog. strukturellen Störungen entwickelt wie narzisstische und Borderline-Persönlichkeitsstörungen,
präpsychotische Störungen, manche psychosomatischen Erkrankungen sowie Abhängigkeits- und Suchterkrankungen.
Sie kann vielfach auch bei Kranken mit dissozialem und delinquentem Verhalten eingesetzt werden.
Das therapeutische Vorgehen konzentriert sich hier auf normative Regulierungen in der Gruppe
und auf die Inszenierung von Übertragungen, in denen sich die strukturelle Psychopathologie direkt abbildet.
Psychopathologie und vorbewusste Gruppenprozesse werden zwar psychoanalytisch gesehen und verstanden,
die therapeutischen Interventionen sind jedoch am Prinzip emotional authentischen Antwortens orientiert.
Die Weiterbildung in diesem Verfahren eignet sich für Psychoanalytiker,
ärztliche und psychologische Psychotherapeuten, Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Diplompädagogen,
Sonderpädagogen u.a., die in einem therapeutischen Praxisfeld tätig sind,
z.B. in der Abhängigkeits- und Suchtkrankentherapie, in psychiatrischen Kliniken,
Rehabilitationseinrichtungen oder in der Betreuung von Strafgefangenen.
Im nichttherapeutischen Bereich kann dieses Verfahren vor allem dazu verhelfen,
interpersonelle Beziehungen genauer wahrzunehmen, zu verstehen und damit umzugehen.
Das Verfahren ist ebenfalls tiefenpsychologisch fundiert im Sinne der Kassenrichtlinien.
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