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Fluggast-Kontrolleurin
Ulrike Bartel, 44, Frankfurt
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Nicht viele Muttis werden von ihren Kindern abends gefragt, was sie auf der Arbeit erlebt haben. Bankkauffrauen, Sekretärinnen, Lehrerinnen nicht - Ulrike Bartel schon, denn sie hat immer was zu erzählen. Als eine von 1100 Fluggast-Kontrolleur(inn)en auf dem Rhein-Main-Flughafen guckt sie den Reisenden ins Gepäck: sucht nach Waffen, Sprengstoff, Schlangenhäuten oder auch nach Drogen.

"Was haben wir denn da..." Aufmerksam betrachtet die 44jährige den Monitor: Zu sehen sind die Umrisse einer Tasche, zwei gleichgroße Kreise, mehrere Stäbe und Vierecke, dunkle Flecken in unterschiedlichen Schattierungen. Frau Bartel liest das Bilderrätsel so: "Ein Geldbeutel, eine Sonnenbrille, ein paar Schuhe, Stifte". Dann aber stutzt sie: "Das könnte ein kleines Radio sein. Würden Sie mal bitte ihre Tasche öffnen?"

Der Reisende mit dem Turban auf dem Kopf sieht zwar nicht so aus, als verstünde er deutsch. Den Anweisungen aber folgt er aber trotzdem. Unter der Aufsicht von Ulrike Bartel packt er aus: Schuhe, Stifte, Sonnenbrille - und tatsächlich: ein Radio. "Can you turn it on, please", fragt sie höflich. Nein, das kann er nicht. Das Kabel fehlt und Batterien sind auch nicht drin. "Dann müssen wir vorsichtshalber eine Sprengstoffanalyse durchführen", sagt sie und bedeutet dem Mann, ihr zu folgen.

Ulrike Bartel hat im Gepäck der Fluggäste schon "alles mögliche und unmögliche" gefunden: "Neulich", so erinnert sie sich, "kam eine Frau, die ihre Bauchtasche nicht durch des Röntgengerät schicken wollte - da wird man natürlich schon misstrauisch. Also forderten wir sie auf, die Tasche zu öffnen: Sie war randvoll gefüllt mit Extasy-Pillen. Die Frau behauptete , das sei ihre Medizin. Schließlich bestritt sie sogar, dass die Tasche überhaupt ihr gehöre." Die Kontrolleurin ist angewiesen, bei besonders krassen Fällen die Kollegen vom Zoll zu verständigen: "Bei einer Flasche Schnaps zuviel sage ich ja gar nichts. Aber ich habe auch schon ein ausgestopftes Krokodil mit dem Röntgengerät gefunden."

Als sich die gelernte Großhandelskauffrau vor vier Jahren dazu entschloss, "Flughafenluft zu schnuppern", war sie bereits 40 Jahre alt. Das Einstellungskriterium: eine abgeschlossene Berufsausbildung jedwelcher Art und ein Gefühl für den Umgang mit Menschen. Nach dreiwöchiger Schulung in Sachen Waffen, Sprengstoff und deren Erkennung auf dem Röntgenbild wurde Ulrike Bartel in die Praxis entlassen: "Seitdem habe ich nie aufgehört zu lernen."

Anfang sei sie übervorsichtig gewesen und habe jeden Gegenstand einzeln umgedreht. "Ein zu prall gefüllter Geldbeutel und schon musste die Tasche geöffnet werden." Mittlerweile kann sie im Schemen-Chaos auf dem Monitor Rasierapparate, elektrische Zahnbürsten und Haartrockner sogar einer bestimmten Marke zuordnen.

"Ich könnte mir keinen spannenderen Beruf vorstellen - vielleicht liegt das an meiner persönlichen Neugier," mutmaßt Frau Bartels. Manchmal allerdings gebe es aber auch unangenehme Gäste: "Zum Beispiel so eine gestresste Vielfliegerdame, die ihren Nerz nicht ausziehen wollte oder versiffte Nachtflieger, die schon aus zehn Metern Entfernung gestunken haben." (dea)

Die Flughafen Frankfurt Main AG (FAG) stellt voraussichtlich Anfang 1999 zusätzliche Fluggast-Kontrolleurinnen und -Kontrolleure ein. Wer Interesse an der Tätigkeit hat, kann sich Ende 1998 bei der Personalabteilung der FAG, Abteilung PSL/P 2, 60547 Frankfurt, schriftlich erkundigen.

FR vom 19.8.1998

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