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Bauingenieur Reinhard Vaupel, 51, Offenbach |
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"Die schönsten Türme, ohne Zweifel, baut in ganz
Frankreich: Gustave Eiffel." Wie groß das Werk und wie klein der Reim
auch sein möchten, Bauingenieure dürfen wie viele andere Freiberufler nicht
mit ihren Künsten werben. Für Reinhard Vaupel, der seit 25 Jahren mit seinem
Partner ein Ingenieurbüro in Offenbach betreibt, ist das kein Problem.
"Neulich hat es sich in der Nachbarschaft herumgesprochen, dass wir ein
Gebäude saniert haben", erzählt er, "da kamen die Leute zu mir und
haben mich gebeten, mir mal die feuchten Wände in ihrer Tiefgarage
anzusehen." Dass daraus ein dringender Sanierungsfall würde, hätten die
Hausbewohner nicht gedacht, doch die angegriffene unscheinbare Betonmauer
entpuppte sich als tragendes Element in der Gebäudestatik.
Um solche Zusammenhänge zu erkennen, ist ein gerüttelt Maß an Berufserfahrung und physikalisch-technischem Verständnis erforderlich. Voraussetzungen, die bei der Bestallung Vaupels zum Sachverständigen für Hochbauschäden ebenfalls erfüllt werden mussten. "Viele Bauherrn sichern sich bei Neubauten inzwischen mit einem Gutachten ab", sagt Vaupel. In der Baubranche wehe ein harter Wind, wenn Schäden nach Jahren sichtbar würden, hätten viele Firmen in der Zwischenzeit längst Pleite gemacht. Das Büro steht noch bei weiteren guten Kunden in der Telefonkartei. "Die Staatsanwaltschaft benötigt häufig gerichtliche Gutachten", nennt der Ingenieur den Auftraggeber, der ihn im Januar 1994 mit dem spektakulärsten Fall seines Berufslebens betraute. In Rodgau war eine im Bau befindliche Lagerhalle wie ein Kartenhaus zusammengeklappt und hatte drei Bauarbeiter unter sich begraben. Um die Frage nach den Verantwortlichen für das Unglück zu klären, rekonstruierte Vaupel in viermonatiger Kniffelarbeit den Zustand der Halle zum Zeitpunkt des Einsturzes. "Nicht nur Architekten müssen in der Baubranche einfallsreich sein, logisches Denken und detektivischer Spürsinn ist für mich ebenfalls eine Form von Kreativität." Eigentlich sind Bauingenieure dafür zuständig, dass weder beim Bau noch Jahrzehnte später die Konstruktionen durch falsche Materialien und fehlerhafte statische Berechnungen in sich zusammenstürzen. Das bedeutete früher ein Leben zwischen Zeichenmaschine, Tabellenbüchern und Rechenschiebern - Pedanterie galt als anerkannte Berufskrankheit. In den letzten 20 Jahren hat sich wenigstens in praktischer Hinsicht ein grundlegender Wandel im Arbeitsalltag vollzogen. Die großen Zeichentische wurden inzwischen durch Rechner mit CAD-Programmen ersetzt, lediglich die Wände von Aktenordnern haben die Digitalisierungswelle überstanden. (prlm)
Informationen zum Bauingenieurstudium gibt es bei der
Fachhochschule Frankfurt unter |
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FR vom 28.4.1999 |
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