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Altenpflegerin
Alexandra Graff, 31, Frankfurt
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Hier war ich ja noch nie." Die alte Dame mit den weißgrauen Haaren und der weißen Strickjacke ist orientierungslos. "Sie fahren am besten mit dem Aufzug wieder runter auf ihre Etage", sagt Alexandra Graff (" Schwester Alexandra"), nimmt die Seniorin an die Hand, bis der Aufzug seine metallene Tür öffnet. Behutsam schiebt die Altenpflegerin die alte Frau in die Kabine und drückt auf die Taste mit der Nummer drei. "Da, wo die Tür aufgeht, sind sie dann richtig."

"Ihr Flur", das sind die sechste und siebte Etage im Alten- und Pflegeheim Heinrich-Schleich-Haus in Fechenheim. Dort, im Wohnbereich "Taunus", leben 42 Bewohner. In der Mehrzahl sind es Pflegebedürftige, die vom medizinischen Dienst der Krankenkassen in die Pflegestufen zwei und drei eingeordnet wurden. Menschen, die jeden Tag bis zu fünf Stunden lang versorgt werden müssen. Viele können sich weder alleine anziehen noch selbständig essen und trinken. Ihnen einen würdigen Lebensabend zu ermöglichen - dafür sind Alexandra Graff und ihre 15 Kollegen da. Sie arbeiten alle im Schichtdienst und müssen auch an jedem zweiten Wochenende ran.

Die 31jährige übt den Beruf bereits seit neun Jahren aus, hat sich weitergebildet von der Altenpflegehelferin bis zur Wohnbereichsleiterin. Liebevoll sind die Flure in ihrem Bereich geschmückt mit Fensterbildern und Bastelarbeiten. Omas Ohrensessel steht in der Ecke, zwei Korbsessel und ein Rattantisch an der Wand gegenüber dem Aufzug sollen Gemütlichkeit verbreiten. Im Aufenthaltsraum hängen Ölmalereien, und im Radio läuft hr 4.

"Wir müssen immer wieder Reize setzen, um die Bewohner auf andere Gedanken zu bringen und zu Aktivitäten zu bewegen", erklärt Graff. Viele litten unter einer Demenz, wüssten nicht mehr, was sie mit einem Waschlappen oder dem belegten Brot, das vor ihnen liegt, anfangen sollten. Essen reichen, Medikamente verteilen, die computergeführte Bewohnerverwaltung mit Daten speisen, mindestens einmal die Woche die Senioren zum Duschen bewegen, das sind nur ein paar der Aufgaben, die im Arbeitsalltag einer Alterpflegerin anfallen. Nicht selten wird es stressig.

Denn: Die meisten Alten sind verwirrt. Auch eine "Ausreißerin" hat Graff in ihrem Wohnbereich zu betreuen. "Der verabreichen wir Medikamente, damit sie nicht täglich durch Fechenheim wandert." In ihrem Zimmer einschließen dürfen sie die "weglaufgefährdeten Patienten" nämlich nicht. Das wäre Freiheitsberaubung.

Spaß machen Graff die alten Menschen, "weil sie einen immer wieder zum Lachen bringen". Auch die Freiheit, die sie in ihrer Position hat, weiß die Wohnbereichsleiterin zu schätzen. Auf ihrem Flur hat sie halt das Sagen.

Seit Einführung der Pflegeversicherung haben die Heime eine verstärkte Nachfrage nach Pflegepersonal. "Durch die neue Regelung kommen die Alten heute nämlich viel später und in einem schlechteren Zustand zu uns", erläutert Graff, die das Durchschnittsalter ihrer Bewohner auf 85 Jahre schätzt. Nicht selten würden die Pflegebedürftigen schon nach wenigen Wochen sterben.

Der Tod gehört zum Alltag im Heim. Damit fertig zu werden, sei nicht immer leicht: "Es ist doch menschlich, dass man den einen lieber als den anderen hat." Ein Seelsorger im Haus hilft, wenn sich die Pfleger mit ihrer Trauer allein gelassen fühlen. (prita)

Infos zum Berufsbild "Altenpflege" beim Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe, Tel. 29 98 07-0 .

FR vom 11.5.1999

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