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Hebamme
Christina Schulz, 29, Frankfurt
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Einen quengelnden Säugling auf dem Arm, den Blick auf die stillende Mutter gerichtet, mit ruhigen Worten ein paar Tipps erteilt , im Hintergrund das Schreien der hungrigen Neugeborenen und der laute Protest eines Babys, das sich partout nicht wickeln lassen will. Wenn der Geräuschpegel im Kinder- und Stillzimmer der Entbindungsstation des Marienkrankenhauses steigt, die frischgebackenen Mütter immer hektischer werden, strahlt Christina Schulz Ruhe, Gelassenheit und Zuversicht aus. Für die 29jährige Hebamme ist Ruhe das höchste Gebot - das gilt nicht nur für den Dienst im Kinderzimmer, sondern auch für die Geburtsbegleitung und Wöchnerinnenbetreuung.

Die gelernte Krankenschwester schulte auf Hebamme um, nachdem ihr die Arbeit im Kreißsaal so gut gefallen hatte. "Jeder Tag bringt Überraschungen, denn keine Geburt verläuft gleich, jedes Baby ist anders - das ist das Spannende an meinem Job", erklärt die große, junge Frau mit den tiefblauen Augen.

Drei Jahre dauert die Ausbildung zur Hebamme. 1600 Stunden Theorie in Fächern von Arzneimittellehre bis Wochenpflege werden an 58 Hebammenschulen im Bundesgebiet gelehrt. Rund 600 Schülerinnen absolvieren dort pro Jahr ihr Examen. Die hessischen Ausbildungsstätten sind in Wiesbaden, Gießen und Kassel. Der Schwerpunkt Hebammen-Schulung liegt in der Praxis. Einsätze im Kreißsaal, der Wochen-, Neugeborenen- und Pflegestation sowie in der Kinderklinik und im OP hat Christina während ihrer Ausbildung absolviert. Ein Externat bei einer freiberuflichen Hebamme ergänzt die Lehrjahre.

"Die wenigsten Leute wissen, dass zu den Arbeitsbereichen der Hebamme nicht nur die Geburtsbegleitung in der Klinik, zu Hause oder im Geburtshaus zählen, sondern auch Vor- und Nachsorge. Das heißt: Betreuung von Schwangeren und Beobachtung von Mutter und Kind im Wochenbett, Stillberatung, Rückbildungsgymnastik und Säuglingspflege", erklärt Christina.

Dienst auf der Entbindungsstation des Marienkrankenhauses auf einer 75-Prozent-Stelle, das bedeutet für Christina Schulz rund 110 bis 115 Stunden im Monat. Ihr Verdienst beträgt 1800 Mark netto plus Wochenend- Feiertags- und Nachtdienstzulagen. Christina lacht: "Reich kann man als Hebamme nicht werden." Es gehört schon viel Idealismus zum Job - unregelmäßige Arbeitszeiten, körperlicher und seelischer Einsatz, wechselnder Schichtdienst und oft kein pünktlicher Feierabend sind die Regel. Denn "Babys halten sich nicht an einen festen Zeitplan - wenn das Kind kurz vor Schichtwechsel zur Welt kommt, dauert die Übergabe an die Kollegen und das Verfassen des Geburtsprotokolls eben einfach etwas länger als vorgesehen".

Und doch möchte Christina Schulz mit niemanden tauschen" Ich könnte nie einen Routinejob wie bei der Post oder in der Verwaltung erledigen". Der Umgang mit Menschen ist ihr wichtig, daher arbeitet sie neben dem Schichtdienst in der Klinik auch freiberuflich als Hebamme, bietet Geburtsvorbereitung und Beratung für Schwangere an und betreut frischgebackene Mütter samt Babys in der Nachsorge. "Es ist einmalig, mitzuerleben, wie sich die Eltern nach den Strapazen der Geburt über ihr Kind freuen."

Doch auch die Schattenseiten des Jobs seien erwähnt. Bedrückend empfand die junge Frau die Arbeit auf der Kinder-Intensivstation während ihrer Ausbildung. Die Geburt eines sehr schwachen, kranken oder gar toten Kindes ist immer eine große seelische Belastung, auch für die Hebamme.

Die hohe Flexibilität im Job schätzt Christina dagegen sehr: "Wenn ich mal Kinder haben sollte, kann ich trotzdem weiter arbeiten ob freiberuflich oder als Teilzeitkraft im Krankenhaus - das wird sich noch zeigen."
(ti)

Weitere Informationen: Bund Deutscher Hebammen, Postfach 1724, 76006 Karlsruhe, Telefon: 0721 / 981 890, Internet www.bdh.de

FR vom 29.3.2000

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