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"Ein Klavier ist wie ein Motor" Klavierbauerin Anne Schmitt, Friedberg |
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Man müsste Klavier spielen können: Davon träumt angeblich
jeder zehnte Deutsche. Trotzdem bilden immer weniger Betriebe Klavierbauer
aus. Das ist zumindest der Eindruck von Jörg Päsel, der in
Friedberg-Ockstadt einen Fachbetrieb leitet.
Piano Palme im Friedberger Stadtteil Ockstadt ist ein Klavierbau-Meisterbetrieb. Zehn Mitarbeiter reparieren, warten, kaufen und verkaufen gebrauchte und neue Klaviere. "Die Nachfrage ist ungebrochen", sagt Jörg Päsel, der das Unternehmen gemeinsam mit seiner Frau Christiane leitet: "Wir verkaufen heute mehr preisgünstige Instrumente als früher, das zieht einen höheren Handwerksbedarf nach sich." Folgerichtig bildet der Ockstädter Betrieb seinen Nachwuchs selbst aus. Wurden früher die meisten Klavierbauer in den Werkshallen der Hersteller auf ihr Berufsleben vorbereitet, ist die Ausbildung nach Päsels Ansicht heute zumeist Sache der kleinen Handwerksbetriebe. Ein Grund dafür sei das Firmensterben in der Branche in den vergangenen Jahrzehnten. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe es in Deutschland noch rund 40 Klavierhersteller gegeben, zur Zeit seien es zwölf bis 15. Dreieinhalb Jahre dauert die Ausbildung zum Klavierbauer, Abiturienten können auf drei Jahre verkürzen. Anne Schmitt hält die Zeit für angemessen. Sie muss es wissen: Die junge Frau hat vor kurzem ihre Ausbildung abgeschlossen. Eine mehrtägige Abschlussprüfung, bei der unter anderem ein Klavier nach Gehör gestimmt werden muss, hat sie hinter sich gebracht, ebenso wie Kollegin Regina Gail. Sie sagt: "Klavierbauer ist ein sehr vielseitiger Beruf mit einer weiten Spanne von feinsinnigen Tüfteleien bis hin zu Schreinerarbeiten." Groß scheint die Konkurrenz nicht zu sein. Regina Gail und Anne Schmitt haben nicht mehr als etwa 50 Mitschülerinnen und Mitschüler in ihren Jahrgängen gezählt. In der Fachschule für Orgelbau in Ludwigsburg kommen alle Auszubildenden aus dem Bundesgebiet und zum Teil auch aus dem benachbarten Ausland zum Blockunterricht zusammen. In der Praxis ist für den Klavierbauer das Stimmen wichtiger als das Bauen. "Normalerweise sollte man das einmal jährlich machen", sagt Jörg Päsel, "ein Klavier ist wie ein Motor. Es verstellt sich durch Spielen, Heizen und Temperaturunterschiede." Wichtigstes Utensil beim Stimmen: die Stimmgabel, die den berühmten Kammerton a' vorgibt. Doch a' ist nicht gleich a': Bei alten Klavieren wird es je nach Bauart oder Zustand eher tief gestimmt, hat etwa 435 oder 438 Hertz. Heute sind 442 oder 443 Hertz üblich. Wer Klaviere baut, muss nicht Klavier spielen können. Aber es erleichtert seine Arbeit: "Man muss nach dem Stimmen die Harmonie des Instruments überprüfen können", erklärt Anne Schmitt. Bislang macht sie das mit ein paar Akkorden, mehr will sie aber noch lernen. So wie Regina Gail, die seit Ende ihrer Ausbildung Klavierunterricht nimmt. mkr |
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FR vom 26.4.2001 |
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