Eine neue Schule für alle | |||
Aus: "Eine Schule für alle Kinder", Länger gemeinsam lernen,
Eine Broschüre des Landeselternrates der Gesamtschulen NRW, 2005, S.8
Prof. Dr. Hans-Günter Rolff ist Professor für Schulpädagogik an der Universität Dortmund und Gründer des „Instituts für Schulentwicklungsforschung“. Er ist Mitautor der PISA-2003-Studie. Kontakt: rolff@ifs.uni-dortmund.de
Zuerst möchte ich klarstellen, wofür ich eintrete:
Für die gemeinsame Schule für alle bis zum Ende der Pflichtschulzeit,
also für eine Gemeinschaftsschule bis zur 9. oder 10. Klasse.
Dabei vermeide ich bewusst die Begriffe „Gesamtschule“ oder „Einheitsschule“.
Sie sind beide missverständlich.
Die Einheitsschule ist politisch verbrannt aus DDR-ideologischen Gründen,
die Gesamtschule, weil sie genau genommen gar keine ist:
In Deutschland durfte sie nur vierte Schulform neben dem dreigliedrigen System
von Haupt-, Realschule und Gymnasium sein.
Sie ist damit keine wirkliche Gesamtschule, sondern nur Teilschule.
Was spricht für die Gemeinschaftsschule?
Ich sehe mindestens fünf Gründe:
Pädagogische Gründe:
Die Gemeinschaftsschule kann jedes einzelne Kind fördern, ohne andere zu vernachlässigen.
Wir kennen das von den PISA-Siegerländern,
bei denen individuelle Förderung im Mittelpunkt steht und es gleichzeitig heißt,
dass kein Kind zurückbleiben darf.
Diese Länder sind in der Breitenförderung gut und in der Spitzenförderung herausragend.
Gesellschaftspolitische Gründe:
In Deutschland sind die Bildungschancen von Arbeiter- und Migrantenkindern viel schlechter
als in allen anderen OECD-Ländern.
Das liegt u. a. daran, dass die Hauptschule Talente nicht so gut fördern kann wie das Gymnasium
und zudem schwächere Schüler einfach aus den höheren Schulen abgeschoben werden können.
In der Gemeinschaftsschule muss man sich gerade um die Schwachen kümmern,
damit sie einen Abschluss schaffen.
PISA zeigt: Wenn wir uns im Weltmaßstab verbessern wollen,
müssen wir uns vor allem um die Schwachen kümmern.
Ökonomische Gründe:
Die Schülerzahlen gehen in den nächsten Jahren zurück.
Dann können wir uns erst recht nicht mehr leisten,
was uns heute schon teuer zu stehen kommt, nämlich an jedem Standort drei Schulen zu erhalten.
Wenn man sie zur Gemeinschaftsschule zusammenlegt,
ist das viel effektiver zu finanzieren und Standorte lassen sich sichern.
Arbeitsmarkterfordernisse:
Schule heute und erst recht morgen bildet für die globale Wissensgesellschaft.
Dabei sind die „Köpfe unserer Kinder“ die wichtigste Produktionskraft.
Diese Produktionskraft entsteht neuerdings in der Schule.
Wir konkurrieren weltweit mit Ländern, die das besser können.
Deren Abbrecherquoten sind durchweg geringer und die Abiturientenquoten größer.
Die Abiquote stagniert in Deutschland seit zehn Jahren.
Das dreigliedrige Schulsystem verschwendet Talente, die Gemeinschaftsschule fördert sie.
Bei alledem verschärfen rückläufige Schülerzahlen
das Problem der Rekrutierung qualifizierter Nachwuchskräfte dramatisch.
Schulpolitische Erfordernisse:
Gleich intelligente Schüler aus gleicher sozialer Schicht
werden in der Hauptschule erheblich weniger gefördert als im Gymnasium.
Sie bleiben laut PISA eineinhalb Jahre zurück.
Das ist eine unerhörte Verschwendung.
Zudem beklagt sich das Handwerk,
dass die meisten Hauptschüler den Anforderungen des Berufs nicht mehr entsprechen.
Die Gemeinschaftsschule hingegen löst die Hauptschule auf
und beendet in konsequenter Weise die Hauptschulkrise.
Wie wir sehen,
kommen in diesen Zeiten die arbeitsmarktpolitischen und reformpädagogischen Gründe zusammen.
Wir sollten diese Chance nutzen.
Wer weiß, wann sie wieder kommt.
oben | home | Inhalt: Werner Plack | web design: hp maly | 2007 | zurück |